Zahl der belasteten Wildschweine sinkt
Radioaktivität nimmt kontinuierlich ab – VS scharf auf Wild
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (sbo) - Brust oder Keule? Das ist Michael Langer, Chef des Veterinäramtes im Landkreis, völlig egal. Hauptsache, die Teile lagern nicht mehr als 600 Becquerel in ihrem Fleisch. Tun sie das: Kommt die Wildsau sicher nicht auf irgendwelche Teller in der Doppelstadt.
Mit dem Geigerzähler auf den Wochenmarkt? An solche Bilder und die Ängste der Bevölkerung kann sich auch Langer noch gut erinnern. Und nun, 33 Jahre nach dem verheerenden Reaktorunglück in Tschernobyl, ist das Thema nicht ganz vom Tisch. Vor allem dann nicht, wenn es um den Genuss von Wildschweinbraten aus den städtischen Wäldern geht. Die Zahl der Tiere, die radioaktiv belastet sind, sinkt kontinuierlich, nur noch jedes fünfte Schwein weist zu hohe Cäsium-137-Werte auf. Cäsium hat, im Gegensatz zu anderen radioaktiven Stoffen, eine hohe Halbwertszeit und verbleibt mehr als 30 Jahre in den Böden, gerne in sauren Böden, „wie sie nun mal im Schwarzwald in Tannen und Fichtenwäldern zu finden sind“, erläutert Langer.
Ursprünglich umfasste das „Überwachungsgebiet“auch die Baar, doch nicht lange. Denn die Ergebnisse seien alle negativ, die Belastungen mit Cäsium gleich Null gewesen. Aus gutem Grund: Während im Schwarzwald saure Böden vorherrschen, dominieren in der Baar alkalische Böden. Gut für den Verbraucher, denn die Mehrheit der Wildschweine lebt auf der Baar. In alkalischen Böden, so Langer, wandere das Cäsium recht schnell in tiefere Schichten, bei sauren Böden dagegen bleibe der radioaktive Stoff eher an der Oberfläche. Schlecht für die Konsumenten. Denn da Wildschweine gerne und viel in der Erde nach Nahrung wühlen, gelange das Cäsium schnell über die Nahrungsaufnahme in den Tierkörper.
Eine Rolle bei den Cäsiumwerten spielt der Hirschtrüffel, der in den sauren Schwarzwaldböden sehr gut unter der Oberfläche gedeiht und den die Wildschweine nicht links liegen lassen. In ihm reichert sich das Cäsium stark an. Aus dem „Überwachungsgebiet“Schwarzwald, zu dem auch Teile des städtischen Forstes gehören, kommen Fleischproben ins Landkreiseigene Labor nahe des Villinger Schlachthofs unter die Lupe.
In Zahlen: Im Jahr 2018 wird das Fleisch von 110 Wildschweinen untersucht. Davon sind über 20 belastet und weisen damit Cäsium-Werte jenseits des Grenzwertes von 600 Becquerel auf. „Vor ein paar Jahren war es noch jedes dritte Tier“, zeigt Langer die Entwicklung auf, bereits seit 1989 arbeitet er im Veterinäramt im Kreis. Sind die Tiere belastet, kommen sie nicht in den Verkauf. Pro Tier, so Roland Brauner, stellvertretender Forstamtsleiter, bezahle das Amt für Strahlenschutz einen Schadensersatz. Ist das Tier unbelastet, greift er zum Hörer und frägt den Vertragsmetzger: „Was machen wir mit der Wildsau?“
Die Halbwertszeit bei Cäsium 137 liegt bei rund 33 Jahren. Stellt das Veterinäramt die Analysen bald ein? „Mal schauen, wie lange wir noch untersuchen müssen“, lässt Langer die Frage offen. Langer und Roland Brauner verweisen auf den relativ strengen Grenzwert: „In der Schweiz sind es 800 Becquerel.“Die Proben bei anderen Wildtieren seien schon seit längerem negativ. Und auch bei Importware, ob Pilze, Gemüse oder Fleisch, die regelmäßig untersucht werde, „können wir die Verbraucher beruhigen“. Wild auf Wild Der Doppelstädter hat kein Problem. „Die reißen uns das Wild aus den Händen.“Wie zum Beweis öffnet Roland Brauner die Türe eines großen Gefrierschrankes. Gespickt mit Rehrücken, Hirschgulasch und anderem Wild: „Alles reserviert.“Und auch Grillwürste oder Kaminwurzen sind bereits vergeben. Brauner wundert das nicht. Wildfleisch sei das am besten untersuchte Lebensmittel. Zudem kommen die kurzen Wege, vom Abschuss des Tieres, bis zum Kunden. Auch an diesem Morgen geben sich Wildfleisch-Interessenten im Forstamt die Klinke in die Hand, um ihre Bestellung einzutüten.