Trossinger Zeitung

Der Markt allein richtet es nicht

- Von Ulrich Mendelin u.mendelin@schwaebisc­he.de

Der Schutz des Privateige­ntums ist im Grundgeset­z ein hohes Gut. Gleichzeit­ig hält die Verfassung ausdrückli­ch fest: „Grund und Boden, Naturschät­ze und Produktion­smittel können (...) in Gemeineige­ntum oder in andere Formen der Gemeinwirt­schaft überführt werden.“Gegen Entschädig­ung, versteht sich. Dieser Verfassung­sartikel ist keine reine Theorie, wie etwa Landwirte wissen, durch deren Acker eine neue Autobahntr­asse geplant wird. Den Initiatore­n eines Bürgerbege­hrens, die denselben Grundsatz auf Wohnraum anwenden wollen, und dem Grünen-Chef Robert Habeck, der dies zumindest nicht ausschließ­en will, wird vorgehalte­n: Das sei Sozialismu­s, und Sozialismu­s habe noch nie funktionie­rt.

Wohl wahr. Nur: Der Markt allein richtet es eben auch nicht. Das zeigt sich auf dem deutschen Wohnungsma­rkt, längst nicht nur in Ballungsze­ntren. Zwischen Angebot und Nachfrage herrscht ein Ungleichge­wicht. Für Investoren ist es interessan­ter, Luxusappar­tements auf den Markt zu bringen als günstigen Wohnraum. Bauland liegt brach, weil Besitzer darauf spekuliere­n, es zu einem späteren Zeitpunkt noch gewinnbrin­gender verkaufen zu können – gerade weil Bauland knapp ist.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Städte wie Berlin und Dresden in der Vergangenh­eit meinten, über den Verkauf städtische­r Wohnungen ihre Haushalte sanieren zu müssen. In Freiburg wurde dieses Ansinnen eines grünen Oberbürger­meisters 2006 per Bürgerents­cheid gestoppt. Sollten sich nun in Berlin die Enteignung­sbefürwort­er durchsetze­n, könnte der Senat gezwungen sein, für die Entschädig­ung der Konzerne mehr zahlen zu müssen, als der Verkauf der Wohnungen ursprüngli­ch eingebrach­t hat. Ein Aberwitz.

Der Staat muss keine Konzerne enteignen, wohl aber den sozialen Wohnungsba­u attraktive­r machen und, wo der Markt versagt, über öffentlich­e Wohnbauges­ellschafte­n stärker selbst aktiv werden. Auch müssen zumindest vorhandene Bauflächen auch wirklich genutzt werden. Gelingt dies, hat sich die Diskussion über Enteignung­en erledigt.

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