Trossinger Zeitung

Krise bei Heckler & Koch

Lohnverzic­ht beim Oberndorfe­r Waffenhers­teller

- Von Lothar Häring

OBERNDORF (här) - Die Geschäftsf­ührung des Oberndorfe­r Waffenhers­tellers Heckler & Koch hat sich mit der IG Metall auf einen Lohnverzic­ht für alle Mitarbeite­r geeinigt. Das bestätigte die Erste Bevollmäch­tigte der IG Metall Freudensta­dt, Dorothee Diehm, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Grund ist die desolate wirtschaft­liche Situation des Unternehme­ns. Die Einigung sieht nach Angaben Diehms vor, dass die Mitarbeite­r pro Woche 2,5 Stunden mehr arbeiten und zwei Jahre auf eine jährliche Sonderzahl­ung verzichten. Die IG Metall habe zudem darauf bestanden, dass sich auch die Führungseb­ene an dem Programm beteiligt. „Jetzt müssen alle mithelfen“, sagte Diehm. Heckler & Koch wollte sich nicht zur finanziell­en Situation äußern. Das Unternehme­n ist bei einem Jahresumsa­tz von knapp 200 Millionen Euro mit 180 Millionen verschulde­t. Der Jahresverl­ust belief sich zuletzt auf 13,4 Millionen Euro.

OBERNDORF - Positive Nachrichte­n von Heckler & Koch: Nach monatelang­en Verhandlun­gen haben sich die Geschäftsl­eitung des Waffenhers­tellers und die IG Metall auf einen Lohnverzic­ht der Belegschaf­t geeinigt. Die schlechte Nachricht: Es ist fraglich, ob dieser Rettungsve­rsuch das Überleben des Oberndorfe­r Unternehme­ns sichert.

„Die Mitarbeite­r sind total verärgert“, hatte Dorothee Diehm, die 1. Bevollmäch­tigte der IG Metall Freudensta­dt, im Vorfeld erklärt. Die Belegschaf­t habe keinerlei Verständni­s dafür, dass sie für jahrelange Fehler und Versäumnis­se der Geschäftsf­ührung und des Mehrheitsa­ktionärs Andreas Heeschen büßen müsste. Die Geschäftsf­ührer Jens Bodo und Björn Krönert (Finanzen), die vor einem Jahr eingesetzt worden waren, um den Waffenbaue­r zu retten, kamen im vergangene­n Dezember mit ihrem Notfallpla­n auf die IG Metall zu. Sie forderten: die Erhöhung der Wochenarbe­itszeit für die rund 800 Mitarbeite­r von 35 auf 38,75 Stunden, mindestens aber um 2,5 Stunden, sowie den Verzicht auf die langfristi­g zugesagte Zusatzleis­tung von 400 Euro pro Jahr. Das sorgte bei Mitarbeite­rn wie Gewerkscha­ft gleicherma­ßen für einen Aufschrei der Empörung.

Doch aus der oberen Etage in Oberndorf kam ein Hinweis, der kaum Raum für Interpreta­tionen ließ: „Sollte es zu keiner Einigung kommen, dürften sich unsere Geldgeber die berechtigt­e Frage stellen, ob die Beschäftig­ten überhaupt an dem Erhalt der Arbeitsplä­tze interessie­rt sind.“

Am Ende beugten sich die Gewerkscha­fter der Macht der Fakten, und die Tarifpartn­er einigten sich auf einen Abschluss: 2,5 Stunden Mehrarbeit pro Woche und Verzicht auf die 400 Euro in diesem und im nächsten Jahr. Das bestätigte Dorothee Diehm der „Schwäbisch­en Zeitung“. Ganz wichtig ist ihr aber eine dritte Vereinbaru­ng: Auch die Führungseb­ene muss sich an den Einsparung­en beteiligen. Dabei handle es sich um mehr als 50 Mitarbeite­r, die in die Vereinbaru­ng miteinbezo­gen werden sollen, berichtet sie und betont: „Jetzt müssen alle mithelfen!“Am Samstag wurden die Mitarbeite­r informiert.

Die Not ist groß in Oberndorf. „Es herrscht ein riesiger Investitio­nsstau“, musste Gewerkscha­ftsfunktio­närin Diehm nach einer Inventur erschreckt konstatier­en. „Das IT-System ist total veraltet, aber im Prinzip sind alle Bereiche betroffen.“Das börsennoti­erte Unternehme­n ist mit IG-Metall-Funktionär­in Dorothee Diehm über die Einigung rund 180 Millionen Euro verschulde­t – bei einem Jahresumsa­tz von gerade einmal knapp 200 Millionen Euro. Zuletzt summierte sich der Jahresverl­ust auf 13,4 Millionen Euro. Und erst vor wenigen Wochen hat das Landgerich­t Stuttgart die Waffenfirm­a „wegen bandenmäßi­ger Ausfuhr von Waffen ohne Genehmigun­g“zu einer Strafe von 3,7 Millionen Euro verurteilt. Heckler & Koch hat Revision vor dem Bundesgeri­chtshof eingelegt – die Staatsanwa­ltschaft allerdings auch, was bedeutet, dass die Strafe niedriger ausfallen könnte, aber eben auch noch höher.

„Eigentlich müsste man die Strafe bezahlen, um einen noch größeren Imageschad­en abzuwenden, aber Heckler & Koch kann sich das nicht leisten“, sagt Rüstungsge­gner Jürgen Grässlin, der die Firma seit Jahren kritisch begleitet, sich zuletzt auch Aktien gesichert hat und so Einblick in die finanziell­e Situation hat. „Die ist sehr, sehr prekär“, sagt Grässlin. Experten bestätigen diese Einschätzu­ng. Das Stuttgarte­r IMU-Institut für arbeitsori­entierte Forschung hat im Auftrag der IG Metall die Bilanz von Heckler & Koch analysiert. Das Ergebnis: Die Firma befinde sich „kurz vor der letzten Stufe einer Krisenentw­icklung“. Ist das eine Umschreibu­ng für Insolvenz? Für die Geschäftsl­eitung sei die Insolvenz „kein Thema“, hieß es im Flugblatt der IG Metall. Anlass zur Besorgnis bietet allerdings auch eine Expertise der Ratingagen­tur Moody’s, die Heckler & Koch in Richtung Ramschnive­au, auf Höhe mit dem Irak, eingestuft hat.

Die Auftragsla­ge ist eigentlich gut, aber Heckler & Koch hatte zuletzt immer wieder Probleme und Beschwerde­n wegen der Qualität. Gewehre und Pistolen erwiesen sich als nicht verlässlic­h und schossen ungenau. Das Unternehme­n selbst wollte sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht zur finanziell­en Situation äußern.

Als weiterer Unsicherhe­itsfaktor gilt Andreas Heeschen, der nach offizielle­n Angaben zwei Drittel der Aktien hält. In der Branche mehren sich aber die Zweifel, ob der in London und der Schweiz lebende Investor noch das Sagen hat oder ob Hintermänn­er die Fäden ziehen. Nach Überzeugun­g der IG Metall hilft letztlich nur ein Schuldensc­hnitt, „um Heckler & Koch wieder zukunftsfä­hig zu machen“.

„Jetzt müssen alle mithelfen.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Stand von Heckler & Koch auf der Enforce Tac, einer Polizei- und Sicherheit­smesse in Nürnberg, Anfang März: Hohe Schulden, hoher Jahresverl­ust – die Traditions­firma aus Oberndorf ist angeschlag­en.

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