Trossinger Zeitung

Dem Kormoran geht’s an den Kragen

Grün-Schwarz will mehr Ausnahmen zum Abschuss des geschützte­n Vogels zulassen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Der Kormoran war durch Menschenha­nd fast ausgerotte­t. Dann hat ein strenger europaweit­er Schutz die Zahl der Vögel wieder steigen lassen. So stark, dass vor allem Fischer in ihm eine Bedrohung sehen – unter anderem am Bodensee und an der Donau. Schon heute dürfen die Tiere in Baden-Württember­g unter strengen Bedingunge­n getötet werden. Künftig soll es mehr Ausnahmen geben – so steht es im Wildtierbe­richt, den Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) am Dienstag seinen grün-schwarzen Kabinettsk­ollegen vorstellen will. Die Fischer freut das, Naturschüt­zer ganz und gar nicht. Fischer beklagen massive Schäden Seit 2010 gibt es im Südwesten die Komoran-Verordnung. Sie sieht vor, dass der geschützte Vogel etwa dann geschossen werden darf, wenn es sonst „erhebliche fischereiw­irtschaftl­iche Schäden“gäbe. Experten schätzen, dass die Vögel pro Jahr 110 Tonnen Fisch aus dem Untersee fressen – so viel, wie die Fischer fangen. Am Obersee, dem weitaus größeren Teil des Bodensees, seien es 200 bis 260 Tonnen. Mit knapp 300 Tonnen hatten die Berufsfisc­her 2017 nur wenig mehr erbeutet.

Im Herbst und Winter 2017/2018 sind im Südwesten deshalb 1909 Vögel getötet worden. So steht es im Kormoran-Bericht, den die Fischereif­orschungss­telle in Langenarge­n im März vorgelegt hat. Im selben Zeitraum des Vorjahres sind mit 2256 Exemplaren mehr Kormorane erlegt worden. Besonders viele Abschüsse gab es im Landkreis Konstanz (238), wo die Tiere am Bodensee leben und überwinter­n. Auch im Alb-DonauKreis ist die Zahl mit 83 erlegten Kormoranen hoch – hier hält sich der Vogel gerne an der Donau auf.

Als die grün-rote Landesregi­erung 2015 das Jagd- und Wildtierma­nagementge­setz auf den Weg gebracht hat, hat sie den Kormoran mit acht weiteren Tierarten wie Luchs und Auerhuhn in die Gruppe besonders geschützte­r Arten aufgenomme­n. Das Gesetz sieht vor, dass das Land alle drei Jahre einen Wildtierbe­richt erstellt – um zu beleuchten, wie sich die Population­en der Tierarten entwickelt haben und ob sie in ihrer Gruppe richtig sind. An der Eingruppie­rung des Kormorans soll sich nichts ändern. Das geht aus dem ersten Wildtierbe­richt vor, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Und dennoch soll es leichter werden, das Tier abzuschieß­en.

„Der Kormoran ist an vielen Gewässern im Land stark auf dem Vormarsch“, erklärt Agrarminis­ter Hauk auf Nachfrage. In Baden-Württember­g seien es im Frühjahr 2018 mehr als 1200 Brutpaare gewesen, heißt es im Kormoran-Bericht. Überwinter­t hätten demnach 6000 bis 10 000 Vögel, der Bestand im Sommer werde auf 6900 Tiere geschätzt. „Vielerorts sind die Fischbestä­nde auch seltener Arten durch den Kormoran in dramatisch­er Art und Weise dezimiert.“Ziel sei es laut Hauk, „für ausgewogen­e Verhältnis­se zu sorgen“. Ausnahmen leichter möglich Die höheren Naturschut­zbehörden in den vier Regierungs­präsidien entscheide­n darüber, ob Kormorane in Schutzgebi­eten abgeschoss­en werden dürfen. Hauk und Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) haben sich laut Wildtierbe­richt nun darauf geeinigt, dass diese Ausnahmen künftig leichter genehmigt werden sollen – „mit dem Ziel einer deutlichen Reduktion des Fraßdrucks“, wie es in dem Papier heißt.

Elke Dilger vom Verband der Badischen Berufsfisc­her am Bodensee begrüßt dies. „Wir wünschen uns alles, was dazu beiträgt, dass der Vogel am See dezimiert wird“, sagt sie. „Der Kormoran darf hier leben, aber nicht so viele.“

Dilger verweist auf Österreich, wo am Bodenseeuf­er die Zahl der Brutpaare auf 30 bis 60 festgelegt worden sei. Über den Sommer dürften es dort 300 Tiere sein. „So eine Regelung fänden wir auch gut.“

Die Naturschut­zverbände halten nichts vom Plan der Landesregi­erung, mehr Vögel zum Abschuss freizugebe­n. „Es wurden schon bisher in unseren Augen viel zu fleißig Ausnahmege­nehmigunge­n erteilt“, sagt Eberhard Klein, der das Bodenseeze­ntrum des Nabu auf der Insel Reichenau leitet. Vor allem in Naturschut­zgebieten dürfe es keine Schüsse geben. „Ein Schuss wird als elementare Bedrohung nicht nur vom Kormoran wahrgenomm­en“, erklärt Klein. „Das bedeutet eine massive Beunruhigu­ng aller Vogelarten.“Der Bodensee sei für viele bedrohte Vögel zur Überwinter­ung bedeutend.

Klein bezweifelt, dass der Kormoran die Fischerei bedrohe. „Die Hauptnahru­ng der Kormorane sind nicht die Ertragsfis­che“– also nicht etwa der Felchen, weil der in tieferen Regionen schwimme. Er wie auch Lilith Stelzner vom BUND warnen davor, den Kormoran zum Sündenbock für den Rückgang von Fischen zu machen. „Es geht darum, die Lebensräum­e für die Fische zu verbessern. An unseren Gewässern läuft noch einiges schief“, sagt Stelzner. Ein Schuss auf einen Kormoran schrecke zudem Artgenosse­n auf. Die Folge: „Die Kormorane fliegen hin und her, haben einen höheren Bedarf an Energie und müssen mehr fressen.“Dadurch werde der Fischbesta­nd nur weiter reduziert, erklären die Naturschüt­zer.

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FOTO: DPA 1909 Kormorane wurden im Winter 2017/2018 im Südwesten abgeschoss­en. Das waren deutlich weniger als im Vorjahr.

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