Rivalen der Taxifahrer
Der Fahrdienst-Markt ist im Umbruch und soll für neue Konkurrenten geöffnet werden
BERLIN - Taxis oder öffentlicher Nahverkehr. Vor allem diese beiden Möglichkeiten haben Bürger in Städten heute, wenn sie nicht selbst gehen oder fahren, sondern transportiert werden wollen. Künftig wird sich die Mobilität jedoch ändern. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) plant schon eine Gesetzesreform, die Taxifahrer zu Protesten auf die Straßen treibt. Am Mittwoch sollen in mindestens 30 bundesdeutschen Städten Taxi-Korsos rollen. Wie könnte eine Regulierung des kollektiven Verkehrs aussehen, die alte und neue Geschäftsinteressen sowie die Bedürfnisse moderner Konsumenten miteinander versöhnt?
Neue Geschäftsmodelle: Zahlreiche Unternehmen entwickeln neue Geschäftsmodelle für Verkehrsdienstleistungen, die zu größerer Vielfalt und Vermischung bisheriger Angebote führen könnten. So bietet der US-Konzern Uber in manchen Städten Taxis und Mietwagen für kurze Strecken an. Die VW-Tochter Moia will eine Art Kombination aus privatem und öffentlichem Nahverkehr entwickeln. Projekte wie „Berlkönig“der Berliner Verkehrsbetriebe setzen Sammeltaxis ein, die den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ergänzen. Die Kunden können solche Fahrzeuge per Smartphone bestellen. Abfahrtsund Ankunftsorte sind in der Regel individuell wählbar. Die TaxiBranche hat auf diese Entwicklungen bereits reagiert: Über Plattformen wie mytaxi.com oder taxi.eu lassen sich auch traditionelle Droschken mittels Handy buchen.
Die Verkehrssituation: Kollektive Angebote jenseits individueller Fortbewegung erfüllen heute oft nicht mehr die Bedürfnisse der Kunden. In Großstädten mit steigender Bevölkerungszahl sind Busse und Bahnen nicht selten überlastet und zunehmend unzuverlässig. Für kurze Wege zu flexiblen Zeiten eignet sich der ÖPNV oft nicht. Die Peripherie und ländlichen Regionen bedient er nur schlecht. Eine Alternative stellen Taxis für viele Bürger wegen zu hoher Preise aber nicht dar. Außerdem wollen junge Leute auf ihren Smartphones rumtippen, anstatt die Taxizentrale anzurufen oder am Straßenrand auf eine Kutsche zu warten.
Des Ministers Antwort: Andreas Scheuer (CSU) will das Taxi-Geschäft für Mietwagenfirmen wie Uber öffnen. Laut Personenbeförderungsgesetz kann man Mietwagen mit Fahrer derzeit nur komplett ordern, und nach jeder Fahrt müssen die Fahrzeuge zu ihrer Zentrale zurückkehren. Diese Einschränkungen sollen wegfallen. Zahlreiche private Sammeltaxen könnten dann zusätzlich durch die Städte rollen und mehrere, einzeln zahlende Passagiere gleichzeitig transportieren. Um Wildwest zu vermeiden, dürfen die Kommunen die neuen Anbieter regulieren und beispielsweise gezielte Konkurrenz zu öffentlichen Nahverkehrslinien verbieten. ÖPNV-Unternehmen könnten dann auch eigene Sammeltaxis im Linienverkehr einsetzen.
Die Angst der Taxifirmen: Wegen der Mietwagen-Liberalisierung sehen die Taxis ihr Geschäftsmodell bedroht. Das ist heute stark reguliert. So legen in der Regel die Kommunen und Kreise die Tarife fest. Alle Taxis müssen dieselben Preise nehmen. Das bedeutet eine gewisse Sicherheit der Einnahmen und Löhne. Im Gegenzug müssen die Taxis grundsätzlich immer jeden potenziellen Kunden transportieren – auch am Ersten Weihnachtstag morgens um halb vier, betrunken für nur 200 Meter, ebenso Kranke und Menschen mit Einschränkungen. Dieses Angebot sei angesichts einer neuen deregulierten Konkurrenz schwer aufrechtzuerhalten, sagen Taxifahrer.
Der Preiswettbewerb: Die neuen Mobilitätsdienstleister bieten Fahrten oft billiger an als Taxis. Einerseits sind das Kampfpreise, die sich nicht rechnen, sondern den Eintritt in den Markt ermöglichen sollen. Andererseits können die Kosten tatsächlich niedriger liegen, wenn eine automatisierte Internet-Vermittlungsplattform die Einsätze koordiniert, und nicht das Personal einer Taxizentrale. Drittens rechnen zumindest einige neue Firmen mit niedrigeren Löhnen der Fahrer. Sollte sich das durchsetzen, werden auch viele Taxis weniger verdienen als heute.
Derselbe Tarif für alle: Dem ließe sich begegnen, indem die Erleichterung für Mietwagen dadurch flankiert würde, dass diese sich an die Taxitarife der Kommunen halten müssen. „Das ist eine logische Forderung. Wir prüfen, ob sie gesetzlich machbar erscheint“, sagt Thomas Grätz vom Taxi- und Mietwagenverband (BZP).
Zu hohe Preise: Marion Jungbluth vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) wendet jedoch ein: „Taxifahren ist vielen Bürgern heute zu teuer.“Deswegen plädiert sie dafür, dass Kommunen „Korridore aus Mindest- und Höchstpreisen festlegen“. Diese sollten für alle Anbieter gelten. Beispielsweise am Sonntagmorgen oder am frühen Nachmittag eines Wochentags wären die Fahrten billiger, am späten Nachmittag oder abends teurer. Daraus ergäbe sich aber wohl auch eine größere Lohnspreizung für die Fahrer.
Ein allgemeines Gesetz: „Für alte und neue Anbieter sollten ähnliche Regulierungen gelten, damit ein Wettbewerb auf Augenhöhe stattfindet“, sagt Jungbluth. „Auch moderne Mobilitätsdienstleister müssen beispielsweise verpflichtet werden, dass sie grundsätzlich alle Kunden befördern und auch bestimmte Regionen bedienen.“Grätz spricht sich ebenfalls für eine „einheitliche Regulierung mit gleichen Bedingungen“aus. Das hieße beispielsweise: Alle Fahrer aller Anbieter müssten wie heute eine bestandene Eignungsprüfung, ein polizeiliches Führungszeugnis, Ortskunde und ein technisch sicheres Fahrzeug nachweisen. Auch künftig möchte man sicher sein, dass die Kutscher ihre Fahrgäste nicht betrügen, ausrauben oder vergewaltigen.
Der Nutzen: Die meisten der neuen Mobilitätsdienste werden mit Autos auf der Straße stattfinden. Weil es sich oft um zusätzliche Fahrten handelt, nehmen die Staus in Städten eher zu als ab, zumindest in den Stoßzeiten. Für die Nutzer der Internet-Fahrdienste ist Warterei jedoch nicht attraktiv. Der ökonomische Erfolg bleibt deshalb abzuwarten.