„Wir können auch leise“
Philipp Fries schreibt der Aldinger „Gugge-Mucke“aktuelle Titel auf den Leib
ALDINGEN - Es ist das vielleicht eindrücklichste Bild an diesem Abend bei der Probe der Aldinger Guggenmusik „Gugge-Mucke“: Da stehen Bären von Männern an den riesigen Schlagzeugen und liefern ganz zart den „Teppich“für Ed Sheerans Liebeslied „Perfect“. Die Melodien tragen Posaunen, Trompeten, Tuba, Susaphon, Lyra. Aber: Genau dieselben Instrumente samt ihrer Spieler können gleich im Anschluss auch „die Sau rauslassen“– so wie man Guggenmusik halt auch von der Fasnet kennt. Was ist das für eine Leidenschaft – selber Musik machen und doch nicht im klassischen Musikverein?
Es gebe auch Musiker, die im Verein spielen, sagen die Guggenmusiker. Der musikalische Leiter der Gugge-Mucke, Philipp Fries, kommt von da und spielt dort auch immer mal wieder mit. Aber die meisten Guggenmusiker haben nie ein Instrument auf die klassische Weise spielen gelernt, nicht die Musikschule durchlaufen. Aber: Die Liebe zur Musik und die Musikalität ist ihnen eben doch in die Wiege gelegt und sie haben eben „anders“spielen gelernt. Gespielt wird nach Gehör Für viele sei es schon eine Investition, so ein Blechblas- oder Schlaginstrument zu kaufen, viele der 29 aktiven Musiker zwischen 16 und 60 Jahren haben daher gebrauchte gekauft. Gespielt wird nach Gehör und nach Griffen oder Zügen, die Fries in die Registernoten schreibt. Anhand der Grafik der Noten wissen dann die Spieler, ob es sich etwa um eine „hohe Drei“oder eine „niedere“handelt.
2002 hat Steffen Flaig die Aldinger Guggenmusik gegründet. Sie ist aus einer Schmotzigen-Trommlergruppe hervorgegangen. Heute ist das Repertoire ziemlich umfangreich. Teilweise werden die Noten bei Guggenmusikverlagen gekauft, teilweise schreibt Fries aktuelle Titel seinen Musikern auf den Leib – mit einem Notenschreibprogramm, das er zur Hilfe nimmt.
Die Griffe kommen dazu. Bei dem neuen Stück, das er an diesem Abend austeilt, sieht die zweite Seite ziemlich wild aus: Sechzehntel-Synkopen, punktierte Achtel, die sich schnell mit Sechzehntelnoten abwechseln. Viele unregelmäßigschnell folgende Töne, darunter eng die Griffwechsel notiert: Rammstein-Medley.
Als Fries das Stück über den Lautsprecher vorspielt, ist das eine Herausforderung fürs Gehör. Die Musiker versuchen, ihrer Stimme jeweils auf dem Notenblatt zu folgen, von selber spielen kann noch keine Rede sein. „Du spinnst wohl“, platzt einer heraus. Joachim Hirner hat den Anschluss gefunden und summt seine Trompetenstimme mit: „Ich bin noch bei Dir“, grinst er. Als alle später – Register für Register – dazukommen, hört sich die wilde Mischung erstaunlicherweise schon ganz passabel an.
Hirner ist Vorsitzender des Vereins. Catherine Winker Stellvertreterin, Andrea Benk Schriftführerin, Marcel Thron, Joachim Heider Beisitzer, Lisa Kanetzki Kassiererin und Michael Heider Häs- und Instrumentenwart. Die Häser wechseln so alle fünf Jahre, mal ist es ein Fantasiekostüm, manchmal nach einem Thema. Aktuell ist „Van Helsing“– düster, gothic. Die Mitglieder kommen nicht nur aus Aldingen, sondern auch aus anderen Gemeinden, teils bis zum Bodensee, meist ehemalige Aldinger. Die Berufe finden sich queerbeet, Bürokauffrau, Informatiker, Student, Disponent. Locker, und doch diszipliniert Von Anfang an war Fries der musikalische Leiter der Truppe, die immer donnerstags in der Erich-FischerHalle probt. Es geht locker und doch diszipliniert zu. Wer Geburtstag hatte, bringt eine Kiste Bier oder Biermix mit, keiner hat etwas dagegen, wenn das nebenher getrunken wird. Es wird viel gewitzelt. Das ist die eine Seite, die andere ist Fries mit seinem Willen, etwas zustande zu bringen.
Darum wird auch das ganze Jahr über einmal wöchentlich geprobt bis auf eine Erholungspause nach der Fasnet: 19.30 Uhr Register und Anfänger, 20 Uhr alle.
„Er ist super konsequent“- „Wir werden schon getrietzt“, „Er ist ein super musikalischer Leiter“, sagen seine Musiker. Die Mehrzahl der Auftritte - die Einladungen kommen aus dem ganzen Land bei Saalveranstaltungen (“Umzüge mögen wir nicht so“) sind natürlich bei der Fasnet. Das sei das Tollste, sagt Hirner: auf der Bühne zu stehen und zu sehen, wie die Leute mitgehen.
Aber: „Wir können auch leise“, sagt Winker. So wurden sie jüngst bei einem 30. Geburtstag als Einlage gebucht, demnächst steht die Goldene Hochzeit der Guggenmusikfans Hirner Senior bevor. Und sie haben jüngst bei einer Trauung gespielt. In einer Schlosskapelle in kleiner Besetzung. Sogar der Hochzeitsmarsch war hier dabei und, klar, „Perfect“. Die Aldinger Gugge-Mucke laden zum Schnupperabend am 11. April um 19.30 Uhr in der Erich-FischerHalle, Seiteneingang. Wer da nicht kann, ist an jedem Donnerstag bei den Proben willkommen. Eine Fotogalerie zur Probenarbeiter finden Sie auf: www.schwaebische.de/aldinger-gugge-mucke Im Laufe des Tages wird außerdem eine Video eingestellt unter www.schwaebische.de/guggemucke-aldingen