Verein für Brandherde
Motz-Profis und Konfrontations-Fans – dem VfB Stuttgart drohen weitere Störfeuer
STUTTGART - Ab und zu bricht es dann doch aus Markus Weinzierl heraus. Der Trainer des VfB Stuttgart, der auch jedem noch so negativen Aspekt und desaströsen Auftritt seiner Mannschaft etwas Positives abgewinnt, streute nach dem ernüchternden 1:1 (0:1) gegen den 1. FC Nürnberg dann doch kleine Eingeständnisse ein. Neben all dem: wir müssen uns „an der Moral und dem Aufbäumen in der zweiten Halbzeit hochziehen“und wir haben „sehr viel Herz und Willen gezeigt“, rutschten dem 44-Jährigen offenbarende Einschübe heraus. So sei unbestritten, dass „wir immer mal wieder falsche Entscheidungen treffen“, sagte Weinzierl. Ob das der Qualität der Spieler, der momentanen Drucksituation oder gar seinen taktischen Vorgaben geschuldet ist, wollte der Straubinger nicht ausführen. Gravierender war der Ausspruch: „Wenn wir keine Probleme hätten, wären wir nicht auf Tabellenplatz 16.“Und diese Probleme sind nicht nur auf dem Platz zu suchen. Vielmehr sind es die Brandherde im Hintergrund, die den Bad Cannstattern im Kampf um den Klassenerhalt noch richtig gefährlich werden könnten:
Die Fans: Vor dem Anpfiff des Spiels gegen Nürnberg zeigten die VfB-Fans eine die komplette Cannstatter Kurve überspannende Choreografie: „Egal welche Spieler, egal welcher Präsident – die einzige Konstante sind wir Fans. Für immer weiß-rot!“war zu lesen. Dazu wurde die Kurve in ein weiß-rotes Fahnenmeer verwandelt. Doch auch in dieser Unterstützung steckte ein Funke. Der harte Kern erneuerte seine Kritik an Präsident Wolfgang Dietrich. Zugegeben etwas unterschwelliger als beim Fanmarsch zuvor. „Stuttgart kämpfen – Dietrich raus“riefen die Fans dort. Auch beim Spiel kamen zahlreiche Protestplakate gegen Dietrich zum Einsatz. Das Feindbild ist seit Monaten eindeutig – Kritikpunkte sind vor allem Zukunftsstrategie und Vereinsausrichtung. Damit nicht genug: Allgemein gilt der VfBAnhang als nicht gerade leicht zufriedenzustellen. Phasen der bedingungslosen Unterstützung folgten jüngst häufig heftige Pfeifkonzerte. Dass sich nach Abpfiff des Nürnberg-Spiels eine Kette aus Ordnern vor der Cannstatter Kurve versammelte, lässt darauf schließen, dass der Verein die Gefahr des Umschwungs kennt. Allerdings verkündeten die Ultras vom Commando Cannstatt: „Solange Impulse von der Mannschaft kommen, werden aber auch wir diesen Kampf um den Klassenerhalt erneut annehmen!“
Kriselnde Führungsspieler: Genau dieser Kampf fehlt dem Team mitunter. Dabei gäbe es Mentalitätsspieler, die vorangehen und ihr Team mitreißen, im Kader eigentlich einige. Doch Kapitän Christian Gentner laboriert an einem Faserriss in der rechten Wade, fällt mehrere Wochen aus und schaffte auch während seinen Auftritten meist nur kleine Akzente. Mario Gomez, 78-maliger Nationalspieler, ist derzeit genug mit sich selbst beschäftigt. Zwar zeigt er Präsenz im Strafraum, hat seit Mitte Dezember aber lediglich ein Bundesliga-Tor erzielt. Dennoch steht er bei 6 Saisontoren und ist damit – sinnbildlich für die Saison – bester VfBTorschütze. Und dann wäre da noch der kaltgestellte Abwehrchef Holger Badstuber. Auf nur neun Einsatzminuten kommt er in der Rückrunde, findet sich nicht selten auf der Tribüne wieder. Vor der Saison gab es am Wasen noch großes Aufatmen, als der Ex-Nationalspieler seinen Vertrag bis 2021 verlängerte. Dass Weinzierl noch einmal wirklich auf den Routinier setzt, ist überaus fraglich.
Die Frust-Profis: Doch während Badstuber seine Reservistenrolle mit Fassung trägt und emsig arbeitet, gibt es im breiten Kader weitaus größere Zündstoffkandidaten. Egal ob Anastasios Donis, Erik Thommy oder Borna Sosa: Über mangelnde Würdigung und Einsatzzeiten beklagten sich die Spieler bereits zuhauf – teilweise sogar lautstark in den Medien. Ausreden gab es hinterher frei Haus. Bei Sosa war es ein Übersetzungsfehler. Dennoch meinte Weinzierl, der den Vorfall als geklärt ansieht, zu Ausrede und Kritik: „Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen.“Der Trainer weiß, dass ihm ein Teil seiner Mannschaft nur noch widerwillig folgt. Den jüngster Querschuss lieferte Rekordtransfer Pablo Maffeo. Dieser darf beim VfB nicht mal mehr mit der Mannschaft trainieren. Im Sommer kam der 9-Millionen-Mann von Manchester City, spielt bei Weinzierl aber seit Monaten schon keine Rolle. Beim Spanier soll es massiv an der Einstellung hapern. Nun muss sich der Rechtsverteidiger alleine fit halten. Ebenfalls sinnbildlich: Ein Training bei der Viertliga-Reserve schließt der Quertreiber kategorisch aus.
Bei all den Brandherden macht zumindest Hoffnung, dass auch die Konkurrenten im Abstiegskampf nicht frei von Unruhe sind. Siehe FC Augsburg. Dessen Kapitän Daniel Baier warnte: „Du darfst nicht hoffen, dass die anderen noch blinder sind.“Doch ganz ungelegen käme dies den Stuttgartern in dieser Saison bei all den eigenen Baustellen nicht.