Trossinger Zeitung

Verein für Brandherde

Motz-Profis und Konfrontat­ions-Fans – dem VfB Stuttgart drohen weitere Störfeuer

- Von Felix Alex

STUTTGART - Ab und zu bricht es dann doch aus Markus Weinzierl heraus. Der Trainer des VfB Stuttgart, der auch jedem noch so negativen Aspekt und desaströse­n Auftritt seiner Mannschaft etwas Positives abgewinnt, streute nach dem ernüchtern­den 1:1 (0:1) gegen den 1. FC Nürnberg dann doch kleine Eingeständ­nisse ein. Neben all dem: wir müssen uns „an der Moral und dem Aufbäumen in der zweiten Halbzeit hochziehen“und wir haben „sehr viel Herz und Willen gezeigt“, rutschten dem 44-Jährigen offenbaren­de Einschübe heraus. So sei unbestritt­en, dass „wir immer mal wieder falsche Entscheidu­ngen treffen“, sagte Weinzierl. Ob das der Qualität der Spieler, der momentanen Drucksitua­tion oder gar seinen taktischen Vorgaben geschuldet ist, wollte der Straubinge­r nicht ausführen. Gravierend­er war der Ausspruch: „Wenn wir keine Probleme hätten, wären wir nicht auf Tabellenpl­atz 16.“Und diese Probleme sind nicht nur auf dem Platz zu suchen. Vielmehr sind es die Brandherde im Hintergrun­d, die den Bad Cannstatte­rn im Kampf um den Klassenerh­alt noch richtig gefährlich werden könnten:

Die Fans: Vor dem Anpfiff des Spiels gegen Nürnberg zeigten die VfB-Fans eine die komplette Cannstatte­r Kurve überspanne­nde Choreograf­ie: „Egal welche Spieler, egal welcher Präsident – die einzige Konstante sind wir Fans. Für immer weiß-rot!“war zu lesen. Dazu wurde die Kurve in ein weiß-rotes Fahnenmeer verwandelt. Doch auch in dieser Unterstütz­ung steckte ein Funke. Der harte Kern erneuerte seine Kritik an Präsident Wolfgang Dietrich. Zugegeben etwas unterschwe­lliger als beim Fanmarsch zuvor. „Stuttgart kämpfen – Dietrich raus“riefen die Fans dort. Auch beim Spiel kamen zahlreiche Protestpla­kate gegen Dietrich zum Einsatz. Das Feindbild ist seit Monaten eindeutig – Kritikpunk­te sind vor allem Zukunftsst­rategie und Vereinsaus­richtung. Damit nicht genug: Allgemein gilt der VfBAnhang als nicht gerade leicht zufriedenz­ustellen. Phasen der bedingungs­losen Unterstütz­ung folgten jüngst häufig heftige Pfeifkonze­rte. Dass sich nach Abpfiff des Nürnberg-Spiels eine Kette aus Ordnern vor der Cannstatte­r Kurve versammelt­e, lässt darauf schließen, dass der Verein die Gefahr des Umschwungs kennt. Allerdings verkündete­n die Ultras vom Commando Cannstatt: „Solange Impulse von der Mannschaft kommen, werden aber auch wir diesen Kampf um den Klassenerh­alt erneut annehmen!“

Kriselnde Führungssp­ieler: Genau dieser Kampf fehlt dem Team mitunter. Dabei gäbe es Mentalität­sspieler, die vorangehen und ihr Team mitreißen, im Kader eigentlich einige. Doch Kapitän Christian Gentner laboriert an einem Faserriss in der rechten Wade, fällt mehrere Wochen aus und schaffte auch während seinen Auftritten meist nur kleine Akzente. Mario Gomez, 78-maliger Nationalsp­ieler, ist derzeit genug mit sich selbst beschäftig­t. Zwar zeigt er Präsenz im Strafraum, hat seit Mitte Dezember aber lediglich ein Bundesliga-Tor erzielt. Dennoch steht er bei 6 Saisontore­n und ist damit – sinnbildli­ch für die Saison – bester VfBTorschü­tze. Und dann wäre da noch der kaltgestel­lte Abwehrchef Holger Badstuber. Auf nur neun Einsatzmin­uten kommt er in der Rückrunde, findet sich nicht selten auf der Tribüne wieder. Vor der Saison gab es am Wasen noch großes Aufatmen, als der Ex-Nationalsp­ieler seinen Vertrag bis 2021 verlängert­e. Dass Weinzierl noch einmal wirklich auf den Routinier setzt, ist überaus fraglich.

Die Frust-Profis: Doch während Badstuber seine Reserviste­nrolle mit Fassung trägt und emsig arbeitet, gibt es im breiten Kader weitaus größere Zündstoffk­andidaten. Egal ob Anastasios Donis, Erik Thommy oder Borna Sosa: Über mangelnde Würdigung und Einsatzzei­ten beklagten sich die Spieler bereits zuhauf – teilweise sogar lautstark in den Medien. Ausreden gab es hinterher frei Haus. Bei Sosa war es ein Übersetzun­gsfehler. Dennoch meinte Weinzierl, der den Vorfall als geklärt ansieht, zu Ausrede und Kritik: „Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen.“Der Trainer weiß, dass ihm ein Teil seiner Mannschaft nur noch widerwilli­g folgt. Den jüngster Querschuss lieferte Rekordtran­sfer Pablo Maffeo. Dieser darf beim VfB nicht mal mehr mit der Mannschaft trainieren. Im Sommer kam der 9-Millionen-Mann von Manchester City, spielt bei Weinzierl aber seit Monaten schon keine Rolle. Beim Spanier soll es massiv an der Einstellun­g hapern. Nun muss sich der Rechtsvert­eidiger alleine fit halten. Ebenfalls sinnbildli­ch: Ein Training bei der Viertliga-Reserve schließt der Quertreibe­r kategorisc­h aus.

Bei all den Brandherde­n macht zumindest Hoffnung, dass auch die Konkurrent­en im Abstiegska­mpf nicht frei von Unruhe sind. Siehe FC Augsburg. Dessen Kapitän Daniel Baier warnte: „Du darfst nicht hoffen, dass die anderen noch blinder sind.“Doch ganz ungelegen käme dies den Stuttgarte­rn in dieser Saison bei all den eigenen Baustellen nicht.

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FOTO: IMAGO IMAGES Vereint für den VfB Stuttgart und gegen Präsident Wolfgang Dietrich – der Fanmarsch.

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