Trossinger Zeitung

Kämpfe in Libyen eskalieren

Der libysche General Haftar schickt seine Truppen in den Kampf gegen die internatio­nal anerkannte Regierung

- (AFP/Foto: dpa)

In Libyen hat der Kampf um die Hauptstadt Tripolis den Flughafen Mitiga, den einzig verblieben­en Airport der Stadt, erreicht. Kampfjets bombardier­ten ihn am Montag, sagte ein Sprecher der libyschen Einheitsre­gierung. Bei den Kämpfen seien bereits mindestens 49 Menschen getötet worden. Seit Donnerstag rücken Truppen des abtrünnige­n Generals Chalifa Haftar auf Tripolis vor.

ISTANBUL - Die Kämpfe in den Außenbezir­ken der libyschen Hauptstadt Tripolis schüren die Befürchtun­g, das ölreiche nordafrika­nische Land könnte in einem neuen Bürgerkrie­g versinken. Im Mittelpunk­t der Konfrontat­ion steht General Khalifa Haftar, der ostlibysch­e Truppen in den Kampf gegen die westlibysc­he Regierung führt. Haftar ist eine schillernd­e Persönlich­keit – er ist ein früherer Offizier des 2011 entmachtet­en Diktators Muammar Gaddafi. Im amerikanis­chen Exil nahm Haftar die US-Staatsbürg­erschaft an, arbeitete offenbar eng mit der CIA zusammen und präsentier­t sich jetzt als Befreier des Landes.

Angeblich geht es Haftar allein um den Kampf gegen Extremiste­n. Während sich seine Libysche Nationale Armee (LNA) am Stadtrand von Tripolis erste Gefechte mit Milizen der internatio­nal anerkannte­n Regierung lieferten, telefonier­te Haftar mit dem russischen Vize-Außenminis­ter Mikhail Bogdanow. In dem Gespräch betonte Haftar nach Angaben Moskaus seine Entschloss­enheit, „Terroriste­n in Libyen zu bekämpfen“.

Dass Haftar in dieser heiklen Phase des Konflikts den Kontakt zum Kreml sucht, ist ein Zeichen für die Bereitscha­ft des Generals, zur Erreichung seiner Pläne mit verschiede­nen Akteuren zu kooperiere­n. Russland zählt ebenso zu den Unterstütz­ern der LNA wie Ägypten und die Vereinigte­n Arabischen Emirate. Der Einfluss dieser Kräfte auf Haftar ist jedoch begrenzt – der General verfolgt seine eigenen Ziele. Gaddafi distanzier­te sich von ihm Taktische Flexibilit­ät ist ein Markenzeic­hen des 75-Jährigen. Im Laufe seiner langen Karriere hat er gelernt, immer wieder umzudenken. Im Jahr 1969 gehörte er zu den Offizieren, die Gaddafis Staatsstre­ich gegen den damaligen König Idris unterstütz­ten. Seine Laufbahn endete jäh, als Gaddafi ihn als Chef libyscher Truppen 1986 nach Tschad schickte. Dort wurde Haftar von den Truppen Tschads mit französisc­her Unterstütz­ung geschlagen und geriet in Gefangensc­haft. Gaddafi distanzier­te sich von seinem Feldherrn – und machte sich Haftar damit zum Feind.

Mithilfe der USA konnte Haftar aus Tschad fliehen und in den USBundesst­aat Virginia gelangen, wo er in der Nähe der CIA-Zentrale in Langley lebte. Von dort aus beteiligte sich Haftar an Versuchen, Gaddafi zu stürzen. Seine neue Rolle in Libyen selbst begann im Jahr 2014, als er die „Operation Würde“ausrief, mit dem islamistis­che Milizen aus der ostlibysch­en Stadt Benghazi vertrieben wurden. Ein Jahr später wurde er vom libyschen Parlament zum Chef der LNA ernannt. Haftar ist vielen suspekt In den Wirren nach der Ermordung Gaddafis im Jahr 2011 bildeten sich zwei rivalisier­ende Regierunge­n des Landes heraus: die von der UN anerkannte Führung in Tripolis und eine Parallel-Regierung im Osten des Landes. Der erfolgreic­he Feldzug gegen die Islamisten in Benghazi stärkte Haftars Macht im Osten Libyens, doch im Westen des Landes blieb er wegen seiner Vergangenh­eit als Gaddafi-Anhänger vielen Landsleute­n suspekt.

Das Misstrauen beruht auf Gegenseiti­gkeit: Haftar ist ein Feind der Milizen aus der Stadt Misrata, die aufseiten der Regierung in Tripolis stehen und Islamisten in ihren Reihen haben. Zugleich gilt Haftar als Gegner der Türkei und des Emirats Katar, denen eine Unterstütz­ung der Misrata-Kämpfer nachgesagt wird.

In den vergangene­n Monaten baute Haftar seine Position mit der Einnahme wichtiger Ölfelder im Süden Libyens systematis­ch aus. Dabei lieferte er ein weiteres Beispiel dafür, wie schnell sich Allianzen und Feindschaf­ten in Libyen verändern können: Nach Beobachtun­g einiger Libyen-Experten wurde Haftars LNA bei den Eroberunge­n im Süden unter anderem von Frankreich unterstütz­t, das formell auf der Seite der Regierung in Tripolis steht. Dass Haftar nun mit der angekündig­ten Schlacht um Tripolis eine neue blutige Phase in dem Konflikt einläuten will, hat die internatio­nale Gemeinscha­ft geschockt. UN, USA und andere Akteure fordern Verhandlun­gen zwischen den Konfliktpa­rteien. Ob Haftar mit der Offensive nach der Macht über ganz Libyen greift, ist offen. Dem General muss klar sein, dass seine Truppen die Hauptstadt nur in verlustrei­chen Gefechten einnehmen können. UN-Konferenz Mitte April Deshalb vermuten einige Beobachter, dass Haftars Offensive auf eine UN-Konferenz Mitte des Monats zielt: Die Weltorgani­sation will die beiden rivalisier­enden Regierunge­n dazu bewegen, der Bildung einer gemeinsame­n Führung und freien Wahlen zuzustimme­n. Haftar will offenbar sicherstel­len, dass er in den UN-Gesprächen die besten Karten in der Hand hat.

 ??  ??
 ??  ??
 ?? FOTO: DPA ?? General Khalifa Haftar schickt seine Truppen Richtung Tripolis.
FOTO: DPA General Khalifa Haftar schickt seine Truppen Richtung Tripolis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany