Vom Drüberscheiteln und anderen haarigen Dingen
Insbesondere männliche Exemplare der Gattung Mensch tragen oft schwer an ihrer lichter werdenden Haarpracht: Je dünner es auf der vorgelagerten Stirn wird, umso melancholischer meist der Blick. Als schaue der Konkursverwalter seiner eigenen Schütterkeit zurück auf Jahre voll kräftiger Locken, die sich in Wellen über den Kopf wallten.
Der Umgang mit diesem Phänomen der Vergänglichkeit ist völlig unterschiedlich. Während die einen mit dem Schergerät radikal das Resthaar hinwegmähen, um eine einheitliche Haarlosigkeit herzustellen, mühen
sich andere, ihre Glatze zu verstecken. Der Klassiker in dieser Disziplin ist der Drüberscheitler. Dabei lässt Mann rechts oder links am Rand des größer werdenden Nichts sein Resthaar so lange weiter wachsen, bis es sich flächendeckend über den kompletten Schädel kämmen lässt.
Wichtig ist die Fixierung mittels Haarspray, weil die bühnenähnliche Konstruktion sonst bei kleinster Erschütterung zerbirst, was das Schauspiel einer echten Haarpracht naturgemäß ad absurdum führt. Wichtig ist es überdies, dass sich Träger solch kapriziöser Kopfbauten insbesondere vor seitlichen Windböen in Acht nehmen. Andernfalls genügt schon eine leichte Brise, um den Klappmechanismus zu entriegeln. Wodurch das Haar einseitig hochschnellt und die eigentlich zu verbergende Glatze nicht nur sichtbar, sondern sogar noch betont wird. Alternativ bietet sich das Tragen von Mützen zum Zwecke der Glatzenverbergung an. An Hundstagen wie diesen freilich schweißtreibender als das sommerliche Oben-ohne. (nyf)