Das Ende der Maut reißt ein Loch in den Bundeshaushalt
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat ein großes Problem, Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ein kleines. Beiden fehlt Geld, weil der Europäische Gerichtshof die geplante PkwMaut in Deutschland untersagt hat. In Scheuers Ressorthaushalt macht sich der Fehlbetrag jedoch deutlicher bemerkbar als im gesamten Bundeshaushalt – für den Scholz verantwortlich ist.
An diesem Mittwoch will die Regierung den Bundeshaushalt für 2020 und die Finanzplanung bis 2023 beschließen. Das Problem der ausbleibenden Maut-Einnahmen sei dabei „noch nicht bereinigt“, hieß es am Montag im Bundesfinanzministerium. Für die Jahre ab 2021 hatte die Regierung eigentlich mit jährlichen Einnahmen aus der Straßennutzungsgebühr von rund 400 Millionen Euro gerechnet. Diese sollten in
Bau und Erhaltung von Autobahnen und Bundesstraßen fließen. Nun fehlt erstmal Geld in der Größenordnung von etwa fünf Prozent der Mittel für die Straßeninfrastruktur. Unangenehme Diskussionen mit dem Finanzministerium stehen bevor.
Entweder muss das Verkehrsministerium die Investitionen kürzen – oder woanders sparen. Hunderte Millionen Euro könnten zusätzlich fällig werden, weil Scheuers Haus Entschädigungen an die Firmen zahlen muss, die das Mautsystem betreiben sollten. Nach dem Urteil kündigte das Ministerium die Verträge.
Auch insgesamt sitzen die Milliarden im Bundeshaushalt weniger locker. Nach der Steuerschätzung im Mai hat Werner Gatzer, Staatssekretär für den Haushalt, die Gesamtausgaben für 2020 um 2,7 Milliarden Euro reduziert. Darin spiegeln sich die internationalen Handelskonflikte, das nachlassende Wirtschaftswachstum und schwächer steigende Steuereinnahmen. „Die Rahmendaten haben sich nicht verbessert“, hieß es im Finanzministerium.
Für Minister Scholz wird es zunehmend schwierig, die unterschiedlichen Wünsche der Regierungsparteien, Notwendigkeiten und Einnahmen unter einen Hut zu bringen. Ausgaben sollen weiter steigen Trotzdem ist die Finanzlage des Bundes alles andere als eine Katastrophe. Die Steuereinnahmen steigen wohl weiter, ebenso die Ausgaben – wenn auch nicht so reichlich, wie die Regierung es gerne hätte. 360 Milliarden Euro umfasst der Etat fürs kommende Jahr, ein Prozent mehr als 2019. Bis 2023 sollen Einnahmen und Ausgaben auf je 375 Milliarden wachsen.
Darin steckt genug Masse, um einige Projekte zu verwirklichen, die die große Koalition vor gut einem Jahr vereinbarte. Dazu gehört eine gewisse Steuersenkung: Der Solidaritätsbeitrag der Einkommenssteuer wird für die meisten Bürgerinnen und Bürger wegfallen, außer für die Bestverdiener.
Die Regierung verspricht höhere Investitionen in Bildung, Forschung, Datenleitungen, Klimaschutz, Entwicklungshilfe und die Bundeswehr.
Und bei allem soll die Neuverschuldung weiterhin null betragen. Gelingt das, könnte der Schuldenstand bis 2023 auf gut 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukte sinken. Der europäische Maastricht-Vertrag erlaubt 60 Prozent. Wobei das Theorie ist – die jetzige Regierung kennt ja nicht die Entscheidungen der nächsten, die vermutlich im Amt ist, bevor der Zeitraum der Finanzplanung endet. Wegen der vergleichsweise geringen Schuldenquote hat die Nachfolge-Regierung in jedem Fall die Möglichkeit, auf eine etwaige Wirtschaftskrise mit hohen Ausgaben zu reagieren.