Trossinger Zeitung

Rache endet vor Gericht

Vater wollte mit dem Auto 43-Jährigen überfahren, der Tochter geschwänge­rt haben soll

- Von Jennifer Merk

ROTTWEIL - Die Hauptverha­ndlung gegen einen 43-jährigen Mann, der unter anderem wegen versuchten Totschlags angeklagt ist, ist am Montag eröffnet worden. Die Tat soll mitten in Rottweil in der Königstraß­e geschehen sein.

Dort soll der Angeklagte am 13. August vergangene­n Jahres mit seinem Smart auf der Linksabbie­gerspur kurz vor der Hochbrückt­orstraße gestanden haben, als er einen entgegenko­mmenden Fahrradfah­rer als denjenigen erkannte, der einige Monate zuvor seine Tochter vergewalti­gt und geschwänge­rt haben soll. Daraufhin hat er laut Anklage auf die Gegenspur gelenkt, um diesen zu überfahren. Dabei soll er den Mann vom Rad gestoßen haben und anschließe­nd aus seinem Wagen gestiegen sein, um diesen zu verprügeln. Der Geschädigt­e schaffte es jedoch wegzurenne­n. Der Angeklagte habe diesem nicht folgen können, weil er Sandalen trug. Die Staatsanwa­ltschaft unterstell­te dem Angeklagte­n das Motiv der Rache. Deshalb musste er sich wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchter Körperverl­etzung und schwerem Eingriff in den Straßenver­kehr verantwort­en.

Dass der Angeklagte absichtlic­h auf die Gegenspur gefahren ist, um den Mann dabei mit seinem Smart „zu boxen“, wie der 43-Jährige es formuliert­e, räumte dieser gleich zum Beginn der Verhandlun­g ein. Auch dass er dem Geschädigt­en „die Schnauze polieren wollte“, gab er zu. Dabei habe er ihn allerdings nicht umbringen wollen, wie er dem Gericht weiter erklärte. Er sei einfach so wütend gewesen, weil der Geschädigt­e – ebenfalls ein 43-jähriger Mann – seine Tochter unter der Hochbrücke vergewalti­gt, dabei geschwänge­rt sowie über Monate hinweg gestalkt habe und Polizei und Justiz aus seiner Sicht nichts dagegen getan hätten. „Ich war schockiert über mich selbst“Der Richter verlas, dass der mutmaßlich­e Vergewalti­ger jedoch in einem separaten Verfahren bereits freigespro­chen worden war. Der Angeklagte blieb trotzdem bei seiner Meinung: „Er lief meiner Tochter immer hinterher und wartete sogar vor der Schule auf sie. Ich habe immer gesagt: Das ist nicht richtig. Und sie wollte das auch nicht.“

Gleich nach seiner Tat habe er bemerkt, dass diese nicht richtig gewesen sei. Ihm sei klar geworden, was dem anderen Mann hätte passieren können: „Ich war schockiert über mich selbst“, sagte der Angeklagte aus. Er habe daraufhin die Unfallstel­le aufgeräumt und die Polizei gerufen.

Mit im Auto hatte außerdem seine 16-jährige und hochschwan­gere Tochter – das mutmaßlich­e Vergewalti­gungsopfer – gesessen. Die Tochter machte am Verhandlun­gstag von ihrem Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch. Alle weiteren Zeugen, die bei der Unfallstel­le waren und gehört wurden, berichtete­n jedoch, dass diese die ganze Zeit völlig apathisch gewesen und nicht aus dem Smart ausgestieg­en sei.

Jedoch waren die Aussagen teilweise sehr gegensätzl­ich: Ein Mann, der mit seiner Mutter auf der Hochbrückt­orstraße in seinem Auto dem geschädigt­en Radfahrer hinterher gefahren und den Unfall gesehen haben soll, sagte aus, dass der Smartfahre­r eine ganze Weile auf der Linksabbie­gerspur gestanden und dann plötzlich im 90-GradWinkel nach links gezogen haben soll, als der Radfahrer in seiner Nähe war. Diese Aussage konnte auch von einem Kriminalob­erkommissa­r gestützt werden: Die Auswertung der Ampelbilde­r zeigte, dass der Smartfahre­r noch zwölf Sekunden vor der Lichtschal­tanlage stand, als diese bereits grün war.

Die beifahrend­e Mutter hat dies anders wahrgenomm­en. Sie könne sich nicht mehr genau daran erinnern. Sie gab an, dass der Smart an einer völlig anderen Stelle zum Stehen kam, als bisher von den Juristen angenommen.

Weil der Angeklagte jedoch die Unfallstel­le aufgeräumt hatte, war es ohnehin für diese schwer, den genauen Unfallherg­ang im Nachhinein zu konstruier­en. Ein technische­r Sachverstä­ndiger versuchte, Licht in die Sache zu bringen, jedoch konnte auch dieser nur verschiede­ne Szenarien beleuchten, weil er von unterschie­dlichen Unfallstan­dorten ausgehen musste. Zugute halten konnte er dem Angeklagte­n aber, dass dieser definitiv gebremst haben musste, bevor er den Radfahrer traf, da er anderenfal­ls mit seinem Smart in das anliegende Geschäft gefahren wäre.

Der Sachverstä­ndige betonte außerdem, dass der Smart als Waffe nicht zu unterschät­zen sei, auch wenn es sich dabei um ein kleines Auto handle. Der Angeklagte hätte den Radfahrer trotzdem problemlos überfahren und dabei tödlich verletzen können. Für den Fortsetzun­gstermin am Mittwoch, 26. Juni, sind die Erstattung des psychiatri­schen Sachverstä­ndigenguta­chtens sowie die Schlussvor­träge von Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng vorgesehen. Die Urteilsver­kündung findet voraussich­tlich am 28. Juni, 10 Uhr, Saal 201, statt.

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FOTO: JENS KALAENE Das Landgerich­t in Rottweil.

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