Lange Schlangen: Panne bei Apotheken-Notdienst
TUTTLINGEN (iw) - Beim Apotheken-Notdienst am vergangenen Sonntag haben viele Kunden vergeblich vor den Türen einer Apotheke in Tuttlingen gewartet. Offenbar hat die Klingel nicht verlässlich funktioniert. Die Wartenden haben Feuerwehr und Polizei verständigt.
Harri Frank von der Polizei bestätigt, dass sich die Menschen, die ein Medikament gebraucht haben, an die Rettungsdienste gewandt haben. „Das ist ja eigentlich nicht unsere Aufgabe“, sagt er. Der Inhaber der Apotheke habe aber schließlich erreicht werden können.
Ausgerechnet am Southside-Wochenende, an dem der Ansturm erfahrungsgemäß ohnehin höher ist als an anderen Wochenend-Diensten, sei die Notfall-Klingel unzuverlässig gewesen, sagt der Inhaber der Apotheke, der sich im Notdienstzimmer im hinteren Teil der Apotheke aufgehalten habe, auf Nachfrage unserer Zeitung. Ihm sei das nicht aufgefallen, weil er den ganzen Tag, ebenso wie abends und spätabends, immer wieder Kunden gehabt habe. Nur manchmal habe die Klingel offenbar gestreikt. Ihn habe die Feuerwehr dann telefonisch erreicht, so die Auskunft des Apothekers.
Eine Frau aus dem Donautal, die am Sonntag ein Medikament gebraucht hat, berichtet gegenüber unserer Zeitung von vielen Wartenden vor der Apothekentüre. Auch die Polizei sei vor Ort gewesen.
Die nächste Apotheke mit Notdienst sei unter anderem in Frittlingen gewesen. M., 17 Jahre alt, konsumiert Cannabis, hat sich zu einer Therapie entschieden Seit Ende des vergangenen Jahres ist M. nicht mehr zur Schule gegangen. Seinen Realschulabschluss hat er verpasst. Angefangen hat alles mit 14 Jahren. Ein Freund brachte einen Joint mit, M. probierte. „Man denkt sich immer, ich bin stark genug, aber das kann schnell nach hinten losgehen“, sagt er heute. Erst rauchen er und seine Freunde nur selten, irgendwann kiffen die Kumpels jedes Wochenende. „Am Anfang hat mich das gar nicht mitgenommen“, erinnert sich der 17-Jährige. Doch der regelmäßige Konsum hinterlässt seine Spuren. „Man wollte einfach nichts mehr machen. Man wollte einfach nur noch zuhause sein und chillen.“Er beginnt die Schule zu schwänzen, geht irgendwann gar nicht mehr hin. „Ab da ging es dann bergab, weil mein Alltag nicht mehr strukturiert war. Ich war nur noch zuhause und die sozialen Kontakte haben nachgelassen. Man wurde zum Anti-SocialGuy. Das zieht einen runter“, sagt er heute.
Irgendwann probiert M. auch Pep, MDMA und Codein. „Das hat mich aber nicht wirklich mitgenommen. Cannabis ist mein einziges Problem.“Doch das wurde dafür immer größer. „Wir haben am Tag schon auch an die sieben bis acht Joints geraucht.“Die Folgen sind ihm heute bewusst. „Ich bin 17 und habe immer noch keinen Realschulabschluss, obwohl ich den schon längst hätte haben können und in einer Ausbildung hätte sein können. Jetzt muss ich gucken, wie es weitergeht.“
Es sei sehr einfach an Drogen zu kommen. „Ich hatte damals eine Klassenkameradin, die Drogen verkauft hat“, sagt er. Durch sie baute er immer mehr Kontakte ins Milieu auf. „Wenn du eine Person kennst, kannst du viele Kontakte generieren“. In seinem Smartphone hat er derzeit etwa acht Nummern eingespeichert, unter denen er an frischen Stoff kommt. „Das sind ganz normale Leute, die zur Schule oder Arbeiten gehen und das eben nutzen, um sich ein zweites Standbein aufzubauen.“Doch bei starkem Konsum wird die Finanzierung zum Problem. Wir hatten keine Einnahmequelle. Wir mussten uns das Geld auf illegale Weise verdienen. Den Großteil der Zeit haben wir damit verbracht, Fahrräder zu klauen und die wieder zu verkaufen.“Wenn er was braucht, schickt er eine Textnachricht. „Dann fragt man halt meistens, wie viele Stunden man sich treffen soll. Wenn ich einen Fuchs haben will, schreibe ich halt eine Stunde“, erklärt er. Fuchs – ein Codewort, das für eine 25-Euro-Portion Marihuana steht und je nach Qualität zwischen 1,5 und 2,2 Gramm variieren kann. Die Übergabe kann überall stattfinden. Entweder im Privaten oder auch ganz öffentlich. Seinen letzten Fuchs habe er vor dem TuWass gekauft. D., 29 Jahre alt, hat sechs Jahre lang Kokain und Cannabis konsumiert und ist heute clean „Das waren sechs Jahre Horror. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie“, sagt D.. „Ich habe mich ruiniert und meine ganze Familie verloren. Ich sah auch nicht mehr nett aus, ich war unter 70 Kilogramm abgemagert. Ich habe Psychosen bekommen und irgendwann Leute in meiner Wohnung gesehen, die nicht da waren. Hätte ich die Therapie nicht gemacht, wäre ich entweder im Knast oder im Grab“, ist sich D. sicher.
An die Drogen gelangt er nach einem Schicksalsschlag in der Familie. „Zu mir ist ein Kollege gekommen und hat mir gesagt, komm, ich zeig dir was zum Abschalten. Dann haben wir im Stadtgarten einen Joint geraucht. Das hat mir dann leider zu gut gefallen.“
Mit der Zeit braucht D. immer mehr. „Ich hab bis zu acht Gramm am Tag geraucht.“Ein Konsum, der sehr viel Geld kostet. Also fängt er selbst an zu dealen und kauft sich das Marihuana kiloweise. Einkaufspreis: vier Euro pro Gramm. Wiederverkaufswert: um die zehn Euro. „Von dem Kilo, das man kauft, nimmt man sich 200 Gramm für sich selber weg. Und macht natürlich noch Gewinn. Das ist sehr lukrativ“, erklärt er. Er braucht keine zwei Wochen, um das Cannabis zu verkaufen. Irgendwann kommt Kokain dazu. „Das spielt in Tuttlingen eine immer größere Rolle“, sagt er. Dort ist die Gewinnspanne noch höher. „Ein Gramm Koks verkauft man hier für 80 Euro – man kauft sich ein zwischen 30 und 40 Euro pro Gramm.“ Zuvor wird das Kokain mit Zucker gestreckt. Zu seinen Kunden zählen Selbstständige, Anwälte, Ladenbesitzer. Alles funktioniert über persönliche Kontakte. „Wenn man ein Autoteil kaufen möchte und das ein Laden nicht hat, wird man auch weitergeleitet.“So funktioniere das auch beim Kokain. Wenn der eine Dealer es nicht verkauft, kennt der aber bestimmt jemanden anderen, der es hat. Wo D. seine Drogen eingekauft hat, will er nicht sagen. „Wo das Zeug herkommt, hab ich mich nie gefragt. Ich hab mich immer nur gefragt, woher ich meinen nächsten Joint bekomme. Ich wollte nicht reich werden, ich wollte einfach nur konsumieren“, sagt er. Doch tatsächlich seien die vergangenen Jahre ein Minusgeschäft gewesen, sagt er. „Ich hab sechs Jahre meines Lebens verloren, die ich nie wieder bekomme. Ich kann mich an kaum was erinnern.“Nur manchmal blitzen Erinnerungen