China deutet die Krise um
Jenseits des Kampfes gegen das Coronavirus tobt gegenwärtig noch eine weitere Schlacht, von der wir in der Hektik des Moments kaum etwas bemerken: eine „Schlacht der Narrative“, wie der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, sie genannt hat. Also eine Auseinandersetzung darüber, wer nach der Corona-Krise als Gewinner und wer als Verlierer, wer als guter Junge und wer als Ignorant oder gar Schuldiger dastehen wird. Europa droht dabei in eine ganz miese Ecke geschoben zu werden.
Die Propaganda ist bereits in vollem Gange. China zum Beispiel hat, wie übrigens Russland auch, die Zeichen der Zeit erkannt. Es richtet den Blick auf die möglichen machtpolitischen Verschiebungen nach der Krise. Wie stark die USA, die EU oder Japan dann dastehen werden, ist ungewiss. Peking jedenfalls will dafür sorgen, dass es selbst an Einfluss und Ansehen gestärkt daraus hervorgeht. Auch deshalb schickt China unter seiner roten Flagge medienwirksam Flugzeuge voller Ärzte und Medizintechnik in alle Welt – nach Italien, Spanien, Iran oder in den Irak. Das Land, in dem die Krise ihren Anfang nahm, hat mit voller Kraft damit begonnen, sie umzudeuten. Es geht China darum, sich im Vergleich zu den USA oder zur Europäischen Union als verlässlichen Partner darzustellen.
Brüssel hat dem bisher propagandistisch nichts entgegenzusetzen. Die Hilfslieferungen der EU nach China im Januar kamen nicht öffentlichkeitswirksam unter ihrer blauen Flagge an. Und letztlich bot die EU in der Krise tatsächlich zunächst kein Bild der Nächstenliebe. Erst langsam fängt das Staatenbündnis an, untereinander Solidarität zu zeigen, indem es gemeinsam Schutzmasken beschafft, eine milliardenschwere Investitionsoffensive startet und den Stabilitätspakt lockert. Statt wie der US-Präsident mit dem Zeigefinger auf China als Schuldigen zu zeigen, kommt es nun darauf an, den eigenen Vorhaben sichtbar den blau-gelben Sternchen-Stempel aufzudrücken. Auch davon wird abhängen, wie die Corona-Krise einst in den Geschichtsbüchern stehen wird.
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