Corona stoppt Traumreise
Das Ehepaar John aus Ailingen sitzt vor der australischen Küste auf dem Kreuzfahrtschiff „MS Artania“fest
RAVENSBURG/PERTH - Erst gab es Hoffnung, dann kam der Schock. Auf dem Kreuzfahrtschiff „MS Artania“sind mindestens sieben Menschen, fünf Passagiere und zwei Crewmitglieder, am Coronavirus erkrankt. Das Schiff des Reiseveranstalters Phoenix in Bonn – eigentlich unterwegs auf einer fünfmonatigen Weltreise – liegt derzeit vor Fremantle City nahe Perth an der australischen Westküste auf Reede. Mit an Bord ist das Ehepaar John aus Ailingen im Bodenseekreis.
Die wichtigste Nachricht zuerst: Den beiden Senioren – Josef John ist 78 Jahre alt, seine Frau Marianne fünf Jahre jünger – geht es gut, wie John am Donnerstag noch per Mail bestätigte. „Ein leichtes Kratzen im Hals, aber das kommt von der Klimaanlage“, erzählte er tags zuvor am Telefon. Beide sind am Mittwoch noch guter Dinge. Die Stimmung an Bord sei zwar etwas gedämpft und angespannt, weil man auf die Testergebnisse der erkrankten Personen warte, aber der Bordarzt habe versichert, dass die Symptome untypisch seien für eine Covid 19-Erkrankung.
Die Hoffnung, möglichst schnell den Hafen von Fremantle City verlassen und mit genügend Lebensmitteln an Bord und rund einer halben Million Liter Schiffsdiesel im Tank nonstop die rund 20 000 Kilometer nach Bremerhaven schippern zu können, zerschlägt sich allerdings am nächsten Morgen. Vertreter der westaustralischen Gesundheitsbehörde, die zuvor an Bord gekommen waren und die Patienten untersucht und getestet hatten, stellen die Erkrankung am Coronavirus fest. Allerdings befinde sich keine der infizierten Personen in einem kritischen Zustand. Alle 832 Passagiere – die meisten kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – müssen sofort auf ihre Kabinen und vorerst dort auch bleiben. Nach Informationen von Phoenix-Reisen sollen die Gäste am Wochenende mit eigens gecharterten Flugzeugen aus Australien ausgeflogen werden. Die australischen Behörden und die deutsche Botschaft hätten dies genehmigt.
Josef John steht jetzt vor einem größeren Problem. Aus medizinischen Gründen sollte der 78-Jährige möglichst nicht fliegen. Dies ist auch der Grund, warum der gelernte
Bankkaufmann und ehemalige Firmenbesitzer zusammen mit seiner Frau bereits die zweite Weltreise per Schiff unternimmt. Am 21. Dezember 2019 sind sie in Hamburg an Bord der „MS Artania“gegangen, um in 140 Tagen fast einmal rund um die Erde zu schippern und Länder wie Namibia, die Seychellen, Sri Lanka, Bali, Neuseeland, Fidschi, Chile und Panama zu besuchen. Doch schon in Indonesien war Schluss mit den vielen Landausflügen. Aufgrund der Corona-Krise durfte die „MS Artania“dort drei Häfen nicht mehr anlaufen. Weitere Länder verweigerten Landgänge.
Erst im australischen Sydney konnten die Johns und andere Passagiere wieder ihren Fuß auf festen Boden setzen. Allerdings wurde dort vom Veranstalter beschlossen, die Weltreise abzubrechen und schnellstmöglich nach Deutschland zurückzukehren. Rund 400 Personen sind daraufhin von Sydney aus nach Deutschland zurückgeflogen.
Die „MS Artania“fuhr weiter nach Fremantle City. „Wir und rund 800 andere haben uns entschieden zu bleiben. Ich soll ja nicht fliegen. Und die Tage an Bord wurden uns nicht langweilig. Wir durften uns frei bewegen und walkten zum Beispiel jeden Tag mehrere Runden auf Deck 4, wo es eine 440 Meter lange Laufstrecke gibt“, berichtet John.
Damit ist es jetzt vorbei. Auch Vorträge, Showabende, Tanzkurse, Sportangebote und Gottesdienste finden bereits seit einigen Tagen nicht mehr statt, und vor Kurzem haben der Spa-Bereich und der Frisör an Bord geschlossen. Die Johns können sich jetzt nur noch mit Lesen und Fernsehen die Zeit vertreiben. „Außerdem daddeln wir viel im Internet“, erzählt der Senior. Als großes Glück stelle sich heraus, dass er zusätzlich ein Internetpaket gebucht hat. So können er und seine Frau in diesen Krisenzeiten mit den beiden Söhnen in Deutschland auch vom Schiff aus Kontakt halten. Allerdings scheint das Netz jetzt überlastet zu sein. Am Donnerstag war es nicht möglich, über WhatsApp mit den Johns in Kontakt zu treten. Vermutlich auch deshalb, weil Phoenix-Reisen allen Passagieren angesichts der aktuellen Situation nun einen kostenlosen Internetzugang ermöglicht.
Auf seiner Internetseite schreibt der Reiseveranstalter, dass er gemeinsam mit der Reederei in stetigem Austausch mit dem Auswärtigen Amt, der deutschen Botschaft in Australien sowie den zuständigen Behörden steht, um alle Gäste an Land und von da aus weiter nach Hause bringen zu können. Eine wichtige Rolle wird dabei auch dem norwegischen Kapitän Morten Hansen zukommen, der vielen deutschen Fernsehzuschauern aus der TV-Serie „Verrückt nach Meer“bekannt sein dürfte und das Kommando auf der „MS Artania“hat. „Er ist sehr volksnah und wirkt absolut souverän“, beschreibt ihn Josef John.