Ein Sommer in der Heimat
Wo es laut Bundesregierung Urlaub trotz Corona geben könnte – und wo eher nicht
BRÜSSEL/BERLIN (dpa) - Balkonien statt Balearen: Ganz so schlimm muss es im Sommer wohl doch nicht kommen. Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, macht trotz Corona Hoffnung auf Sommerurlaub im gemieteten Ferienhaus etwa an der deutschen Küste. Reisen ins Ausland dürften schwieriger werden, auch wenn die EU-Staaten hoffen, den Tourismus gemeinsam wieder in Schwung zu bringen. „Wir brauchen jetzt eine Strategie für einen gemeinsamen Neustart des Tourismussektors in der EU“, betonte Bareiß am Montag nach einer Videokonferenz mit seinen EU-Kollegen. Noch gebe es „keine klare Empfehlung, wo die Reise hingeht dieses Jahr“. So könnte es weitergehen mit dem Urlaub 2020:
Ferien in Deutschland:
Erst einmal wird es wohl um DeutschlandUrlaub gehen. „Ich glaube, dass ein Urlaub eher regional dieses Jahr möglich sein wird“, sagte Bareiß. Zum einen könne die Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen hier besser garantiert werden. Außerdem könnten die Bürger auch der deutschen Tourismusbranche wieder auf die Beine helfen. „Es gibt genügend schöne Urlaubsziele in Deutschland“, warb der Tourismusbeauftragte. Eine Ferienwohnung an der Ostsee oder im Schwarzwald zu mieten, das dürfte nach seiner Einschätzung „im Sommer problemlos möglich sein“. Ein Argument dafür: Im Ferienhaus gibt es keine Menschenansammlungen, eine Familie könnte unter sich bleiben. Schrittweise könnten dann auch Hotels geöffnet werden, wenn man Lösungen für Frühstücksbuffets und Restaurants finde. Ein „Nebeneinanderliegen so Handtuch an Handtuch am Nordseestrand“werde es aber nicht geben können, betonte Bareiß. „Auch da muss man klar definieren, wie Abstände eingehalten werden können.“Der Deutsche Tourismusverband schließt auch Kontrollen und Sanktionen nicht aus, um übervolle Strände zu verhindern.
Urlaub im Ausland:
Zuerst Deutschland, dann die europäischen Nachbarländer – und irgendwann dann wieder Fernreisen. Das ist das Bild, das die Bundesregierung derzeit zeichnet. Erst wenn es eine Impfung und ein wirksames Medikament gegen das Coronavirus gebe, sei sorgenfreies Reisen international wieder möglich, sagte Bareiß. Außenminister Heiko Maas hatte vor einem „europäischen Wettlauf darum, wer touristische Reisen zuerst wieder zulässt“gewarnt. In einigen Ländern gebe es aber auch eine gewisse Erwartungshaltung, berichtete Bareiß. „Es ist schon zu spüren, dass in Griechenland, Portugal, Italien, in den Südstaaten, ein stärkerer Wunsch da ist, dass wieder Urlaub möglich ist.“Griechenland etwa bestreitet rund 20 Prozent seiner Wirtschaftsleistung mit Tourismus, Kroatien immerhin 17 Prozent. Europaweit sind es zehn Prozent der Wirtschaftsleistung und zwölf Prozent der Beschäftigten, insgesamt 27 Millionen Menschen. Die EU-Kommission schätzt die Einnahmeverluste europaweit auf 50 Prozent für Hotels und Restaurants, 70 Prozent für Reiseveranstalter und 90 Prozent für Kreuzfahrten und Fluggesellschaften. In Deutschland
sind laut Bareiß mehr als drei Millionen Menschen in der Tourismusbranche beschäftigt.
Geld zurück:
Zehntausende Bundesbürger mussten ihren Urlaub schon absagen – und haben jetzt ein Recht auf Erstattungen. Allein für Reisen bis Ende April müssten nach Angaben der Bundesregierung rund 3,5 Milliarden Euro an PauschalreiseKunden zurückgezahlt werden. Weil das viele Veranstalter in die Insolvenz treiben könnte, will der Bund den Firmen erlauben, Gutscheine auszustellen. Doch die Pläne stocken – weil die EU-Kommission darauf pocht, dass Gutscheine nur im Einvernehmen mit dem Kunden vergeben werden dürfen. Einige Länder hätten trotzdem Gutscheinregelungen eingeführt, sagte Bareiß. Deutschland wolle das eigentlich nicht. Wenn der Abstimmungsprozess in der EU nicht vorankomme, werde man aber „notfalls einen gewissen Rahmen finden“, um doch Gutscheine zu erlauben.
Hilfe für die Branche:
Die Programme der Bundesregierung kommen laut eigener Aussage in der Tourismusbranche gut an. In der Akutphase könnten sie helfen – „aber die Not wird von Tag zu Tag größer“, betonte Bareiß. Längerfristig brauche die Branche wohl mehr Unterstützung. „Wir haben Berechnungen, nach denen in den Monaten März und April 24 Milliarden Euro weniger eingenommen wurden. Allein über Ostern haben 70 Millionen Übernachtungen nicht stattgefunden.“Reinhard Meyer, Präsident des Deutschen Tourismusverbands, forderte deshalb im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland ein Soforthilfeprogramm für kleinere und mittlere Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten. „Es muss noch mehr passieren“, sagte er.