Stärkster Ausbruch in einem Pflegeheim kreisweit
Infektionszahlen im Pflegeheim Bethel beunruhigen Bürgermeister - Schwierigkeiten, Ärzte für die Testung der Senioren zu finden
TROSSINGEN - Der Corona-Ausbruch im Seniorenheim Bethel in Trossingen hat auch im Gemeinderat für Aufregung gesorgt. Stadtrat Hilmar Fleischer (FDP), selbst pensionierter Arzt, ging scharf mit der Einrichtung ins Gericht. Bürgermeister Clemens Maier stellte sich schützend vor das Bethel. In einer Telefon-Pressekonferenz äußerte sich auch Landrat Stefan Bär zum Fall.
„Es ist tragisch. Es trifft die Personen, die am meisten verletzlich sind“, sagte Bürgermeister Clemens Maier am Montagabend in der Gemeinderatssitzung zu den Entwicklungen im Seniorenzentrum Bethel. Das Pflegeheim hatte am Montagnachmittag die nachgewiesene Infektion von 56 infizierten Bewohnern beziehungsweise Mitarbeitern bestätigt (wir haben berichtet). Da aber die Ergebnisse von weiteren 40 Bewohnern erst in den kommenden Tagen erwartet werden, fürchtet Bürgermeister Maier einen weiteren, deutlichen Anstieg der Zahlen. Bereits die bisher bestätigten Fälle bringen der Einrichtung einen unfreiwilligen Spitzenplatz ein. „Es ist nicht das erste Pflegeheim im Kreis, das betroffen ist, aber das, das am stärksten betroffen ist“, so Landrat Stefan Bär bei einer telefonischen Pressekonferenz am Dienstag. In zwei anderen Heimen im Landkreis habe es einmal einen und einmal neun Fälle gegeben.
FDP-Stadtrat Hilmar Fleischer wählte ungewohnt scharfe Worte während der Gemeinderatssitzung: „Vor drei Wochen gab es die ersten Infektionen in der Reha-Abteilung des Bethels. Wie kann man da jetzt über weitere Infektion überrascht sein? Ohne mangelnde Vorsorge kann es nicht 43 neue Infektionen geben“, bezog er sich auf die Testergebnisse vom vergangenen Sonntag. „Das ist eine Katastrophe. Solche Herde strahlen irgendwann aus“, betonte er.
Eine generelle Verurteilung des Bethels wollte Bürgermeister Clemens Maier nicht gelten lassen. „Man kann dem Bethel keinen Vorwurf machen.“Die Einrichtung habe die Hygienepläne versucht einzuhalten, aber deren praktische Umsetzung sei schwierig, so Maier. „In der ersten Ausbruchsphase hat das Bethel seine Ausrüstung verbraucht“, sagte der Bürgermeister und auch das Bethel selbst hatte am Montag mitgeteilt, dass es nun für den zweiten Ausbruch Spezialausrüstung von Landkreis und Stadt bekommen habe. Zwischen der ersten kleineren Infektionswelle in der Reha-Klinik (wir haben berichtet) und der aktuellen in der Pflegeeinrichtung, hätten „zwei, drei Wochen ohne Infektionen“gelegen, betonte Maier.
Der Bürgermeister zeigte neben dem zeitweise Fehlen von professioneller Schutzkleidung ein weiteres Problem auf. „Es war ein ziemlicher Klimmzug, alle Bewohner und Mitarbeiter testen zu lassen – die Teströhrchen waren knapp.“Auch deshalb hätten die Tests auf zwei Etappen aufgeteilt werden müssen. Außerdem sei es schwierig gewesen, Hausärzte für das Durchführen der Abstriche im Heim zu gewinnen.
Dass einige Ärzte solche Einsätze in Pflegeheimen ablehnen, bestätigte am Dienstag Landrat Stefan Bär.
„Wir sind mit der Kreisärzteschaft für solche Sondereinsätze im Gespräch“, so Bär. „Natürlich wollen wir, dass die Tests stattfinden.“
Der Landrat kündigte an, dass „wir für uns die Frage klären müssen, ob wir flächig in den Heimen testen“. Das Land hat einen Strategiewechsel beschlossen, wonach gefährdete Gruppen auch ohne Symptome getestet werden sollen. Die Frage, wer die Kosten dafür trägt, müsse noch endgültig geklärt werden, so Bär weiter.
Hilmar Fleischer übte aber auch Kritik an der Informationspolitik des Landratsamts. „Die Zahlen des Bethels waren längst in den Medien, bevor die Verwaltung dies kommentiert. Man muss offensiv mit einer solchen Sache umgehen.“In diesem Zusammenhang wies Maier darauf hin, dass „das Zepter des Handelns“beim Gesundheitsamt liege.