Mammutprojekt Depotumzug
Das Museum Ulm bringt seine verborgenen Schätze ins neue Kunstlager – Zwei Jahre sind dafür veranschlagt
ULM - Lange hat man in Ulm auf Lagermöglichkeiten wie diese gewartet. Das neue zentrale Kunstdepot im Industriegebiet in der Blaubeurer Straße gehört zu den größten und modernsten im Südwesten. Im Herbst war Schlüsselübergabe, seither füllen sich die Regale mit dem kulturellen Erbe Ulms. Fünf Betriebe teilen sich die Lagerflächen, darunter sind auch die Stadtbibliothek und das Stadtarchiv. Mehr als die Hälfte der Fläche wird künftig vom Museum Ulm genutzt. Der Umzug der Sammlungsbestände des Hauses und die digitale Inventarisierung im Anschluss daran ist eine Heidenarbeit.
Sammeln, erforschen, ordnen, restaurieren, ausstellen und vor allem bewahren – das sind die Aufgaben eines öffentlichen Museums. Über die Jahrzehnte hinweg häuft sich da so einiges an großen und kleinen Schätzen an. Bis zu 90 Prozent der Exponate eines Museums sind normalerweise eingelagert, und manches Stück wird fast nie gezeigt.
Mangels Platz hatte das Museum Ulm neben zwölf hausinternen Depots bislang noch drei Außenlager angemietet. Es war also höchste Zeit für ein neues Kunstdepot, indem alle Kulturgüter sachgerecht untergebracht werden können. „Die letzte Komplettinventur hat 1961 stattgefunden“, sagt Museumschefin Stefanie Dathe im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung". Das Aufwendigste ist im Moment also nicht das Verpacken und Transportieren der Objekte von A nach B mit dem Lastwagen, sondern vorab zu recherchieren was, wann, wo verzeichnet wurde.
Eigentlich sollten alle rund 60 000 Objekte inventarisiert sein, aber manche Informationen sind nicht mehr auffindbar. Hinzu kommt, dass die meisten Werke noch handschriftlich in Büchern oder auf Karteikarten und oftmals ohne Bild verzeichnet sind. Nur zehn Prozent der Bestände im Museum Ulm sind bislang digital erfasst. „Das ist für meine Mitarbeiter bisweilen fast schon Detektivarbeit", berichtet Dathe. Zum Glück gebe es Kollegen, die sehr lange im Haus sind und viel Standortwissen haben. Umgekehrt wurde jetzt aber auch schon manche Kuriosität entdeckt, von der niemand wusste.
Andere Museen können für so einen Umzug zusätzlich Personal engagieren. „Bei uns läuft das nebenher", meint die 52-jährige promovierte Kunsthistorikerin. Sechs Angestellte inklusive der beiden Restauratorinnen kümmern sich um das Mammutprojekt, wobei einige davon nur Teilzeitkräfte sind. Gelegentlich werden aber auch Fachrestauratoren von außen mit eingebunden. Um Kosten zu sparen, löst man als erstes die Außenlager auf.
Das neue Zentraldepot, drei Kilometer vom Museum Ulm entfernt, umfasst etwa 5000 Quadratmeter. Der Gewerbebau wurde früher von Kindersitzhersteller Britas Römer genutzt. Ein Jahr lang wurde umgebaut, rund fünf Millionen Euro investiert – ein Großteil davon in Klimatechnik, Sicherheit und Regalsysteme. Rund 900 000 Euro pro Jahr zahlt die Kommune nun für die Nutzung an die Eigentümer; der Mietvertrag läuft zunächst 20 Jahre und kann danach zweimal um jeweils fünf Jahre verlängert werden.
Das Depot bietet mehr als 20 Räume, in denen jeweils unterschiedliche klimatische Voraussetzungen geschaffen werden können. Die Stadtbibliothek lagert dort etwa Sammelbände mit Zeitschriften ein, das Stadtarchiv Akten aus der NS-Zeit, das Donauschwäbische Zentralmuseum Volkskundliches, das Stadthaus Pläne zur Entstehungsgeschichte. Rund 70 Prozent der Fläche des Zentraldepots – darunter das gesamte Obergeschoss – werden künftig vom Museum Ulm genutzt.
Zwei externe Lager sind mittlerweile an den neuen Standort umgezogen: das Lapidarium und eines mit Gemälden. Los ging es im Winter mit den Steindenkmälern in der Wilhelmsburg. Dathe: „Hier wurden viele Objekte über Jahrzehnte nicht mehr angefasst, sie mussten erst einmal fachgerecht gereinigt werden.“Aus gutem Grund, denn man will verhindern, dass Schädlinge als blinde Passagiere mitreisen. Im neuen Depot gibt es dennoch einen Quarantäneraum, um einen Befall zu verhindern. Streng sind auch die Sicherheitsvorkehrungen. Nur Mitarbeiter, die tatsächlich mit den Sammlungsbeständen arbeiten, erhalten Zugang. Panzertüren sichern die Kulturschätze, Kameras dienen der Überwachung.
Der Umzug geht aufgrund der Corona-Pause derzeit schneller voran als geplant. So ist die wertvolle Kunstbibliothek, die seit zwölf Jahren provisorisch in Kisten eingelagert war, bereits umgezogen. Auch die Möbel- und Textilienbestände des Museums befinden sich seit Kurzem im neuen Zentrallager. Manche Kleidungsstücke waren offenbar so verschimmelt, dass sich eine Reinigung nicht mehr gelohnt hat. „Spätestens hier wurde klar, dass wir uns ebenso mit dem Entsammeln beschäftigen müssen", sagt die Museumsdirektorin.
Als nächstes sind zwei hausinterne Notdepots mit Malerei und Skulptur dran, die eine ganze Etage blockieren. „Diese Räume brauchen wir für die Neukonzeption des Museums.“Dort soll ein Art Schaudepot entstehen sowie ein Platz für experimentelle Pop-up-Projekte. Am Ende wird nur der Grafikbestand im Haus bleiben. „Diese Blätter werden regelmäßig angefragt und gehen als Leihgaben in alle Welt, da macht es keinen Sinn ständig hin- und herzufahren“, sagt Dathe.
Insgesamt wird der Umzug wohl zwei Jahre dauern. Anschließend sollen alle Bestände im Zentrallager fotografiert und digital erfasst werden. Allerdings hat das Museum bislang nur einen Experten dafür. Stefanie Dathe hofft nun auf Unterstützung vom Land Baden-Württemberg. „Das Problem ist: Wir kommunalen Häuser werden vom Land gar nicht mehr wahrgenommen.“Deshalb hat sie ihr Anliegen neulich persönlich im Kunstministerium in Stuttgart vorgebracht.
Das Wichtigste sei jetzt aber erst einmal, dass die Kunst sicher und langfristig unter konservatorisch korrekten Bedingungen eingelagert ist. „Denn das Museum Ulm ist für Sammler nur dann attraktiv, wenn deren Schenkungen gut aufbewahrt werden können", erläutert die Chefin des Hauses. Das neue zentrale Kunstdepot ist deshalb auch auf Zuwachs angelegt.