Im Sumpf der Geldwäsche
Banken gehen offenbar nur zögerlich gegen kriminelle Methoden vor – Deutsche Bank unter Druck
FRANKFURT - International organisierte Kriminelle müssen schon länger keinen Waschsalon mehr betreiben, um ihre Gelder sauber zu kriegen. Es zeigt sich immer wieder, dass das lückenhaft kontrollierte globale Finanzsystem sich bestens dazu eignet. Die Recherche eines investigativen Recherchenetzwerkes beweist dies nun offenbar aufs Neue.
Der Analyse der sogenannten FinCen-Dokumente zufolge haben Geldhäuser rund um den Globus über Jahre Geschäfte mit zweifelhaften Kunden gemacht. Trotz strenger Regularien, gemäß denen sie verdächtige Transaktionen den Behörden melden müssen, gehörten mutmaßliche Mafiosi, Millionenbetrüger oder sanktionierte Oligarchen weiter zu ihren Kunden – auch lange, nachdem sie die Verdachtsmeldungen abgesetzt hatten. In deren Auftrag führten die Banken jedes Jahr Überweisungen im Bereich von Hunderten Milliarden Euro oder Dollar aus.
Die FinCen-Files basieren auf Tausenden Seiten von geheimen Verdachtsmeldungen, die dem USFinanzministerium angezeigt wurden. Ein Netzwerk internationaler investigativer Journalisten hat die Papiere ausgewertet. Zugespielt wurden sie dem Online-Medium Buzzfeed-News. Die Verdachtsmeldungen
erstrecken sich über einen Zeitraum von 1999 bis 2017. Insgesamt sind in diesem Zeitraum verdächtige Gelder mit einem Volumen von zwei Billionen Dollar überwiesen worden.
Den Namen tragen die Dokumente nach dem Financial Crimes Enforcement Network, kurz FinCEN. Die US-Behörde soll dubiose Geldgeschäfte, Terrorfinanzierung und Geldwäsche bekämpfen. Ihr Pendant hierzulande ist die Financial Intelligence Unit beim Zoll. Allerdings gelten beide Behörden als chronisch unterbesetzt, um ihrer Aufgabe wirkungsvoll nachkommen zu können.
Banken sind zunächst angewiesen, verdächtige Transaktionen vorzunehmen, um die mutmaßlich kriminellen Personen dahinter nicht vorzuwarnen. Allerdings sind sie verpflichtet, eine Verdachtsmeldung zügig an die Behörden weiterzugeben – spätestens 30 Tage nach „Entdecken“der verdächtigen Transaktion. Die Analyse der FinCen-Files zeigt, dass im Durchschnitt aller untersuchten Transaktionen fast ein halbes Jahr bis zur Meldung verging – in einigen Fällen sogar deutlich mehr.
Abgesehen davon aber stellt sich die Frage, warum die Banken mittelfristig nicht die Geschäftsbeziehung mit den fraglichen Personen aufgegeben haben. „Das ist teilweise über
Jahre weitergegangen – und das ist der Kern, wo man den Banken einen Vorwurf machen kann und machen sollte“, sagte der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Sven Giegold. Im Übrigen sei es „skandalös, dass internationale Großbanken auch nach der globalen Finanzkrise Geldwäsche in großem Stil zulassen“.
Auch die Commerzbank und die Deutsche Bank gehören dazu. In der Tat zeigen die Dokumente sogar, dass viele Großbanken noch Geschäfte mit verdächtigen Kunden machten, als amerikanische oder britische Behörden bereits Sanktionen, also Strafen verhängt hatten. Zu diesen Banken zählen nach Angaben des Rechercheverbundes aus NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“auch internationale Großbanken wie JPMorgan, HSBC, Barclays, Wells Fargo, Bank of New York Mellon, Standard Chartered. Und die Deutsche Bank.
Die Deutsche Bank nimmt in den Papieren ohnehin eine Sonderstellung ein. Denn sie ist die Bank, die mit Abstand die meisten verdächtigen Überweisungen auf ihren Konten verzeichnete und auch meldete. Allerdings sind die Daten selektiert und deswegen womöglich auch nicht repräsentativ.
Die Deutsche Bank gibt an, alle in den Papieren genannten Vorgänge bezögen sich auf die Zeit vor 2016. Die Bank nehme den Kampf gegen Geldwäsche sehr ernst. Um die Behörden im Kampf gegen verdächtige Finanztransaktionen zu unterstützen, habe das Institut viel Geld investiert – und das führe dann zu einer höheren Anzahl von Meldungen verdächtiger Finanzgeschäfte. Im Übrigen förderten die FinCen-Papiere nichts zutage, was der Bank und den Behörden nicht schon bekannt sei. „Wir haben seit 2016 den Kampf gegen Geldwäsche enorm ausgebaut“, sagte Deutsche-Bank-Sprecher Jörg Eigendorf der „Schwäbischen Zeitung“. „2015 hatten wir in diesem Bereich 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, heute sind es weit über 1500 Mitarbeiter.“Und das Institut sei dabei, die Geldwäscheprävention weiter auszubauen.
Jedenfalls musste die Deutsche Bank bereits 2017 im Rahmen eines Vergleichs mit Behörden in den USA und Großbritannien 600 Millionen Dollar zahlen. Es ging um Milliardensummen aus mutmaßlich kriminellen Geschäften, die über Töchter der Deutschen Bank in Russland und London in das westliche Finanzsystem geschleust – und so „rein“gewaschen wurden.
Die neuen Dokumente legen nahe, dass die Summen erheblich größer gewesen sein könnten als bislang angenommen. Und interne Dokumente
der Deutschen Bank zeigten nach Angaben des Recherchenetzwerkes, dass die Bank selbst den Verdacht hatte, dass einzelne ihrer verdächtigen Kunden bis 2017 weiter Gelder reingewaschen haben könnten – lange, nachdem der Skandal aufgeflogen war.
Pikant an der nun wieder hochkochenden Russland-Affäre ist allerdings, dass die internen Dokumente zeigen, dass auch die letzte Kontrollinstanz in der Russland-Affäre versagt hatte – die interne Revision. Sie hätte derartige Missstände aufzudecken, wenn alle anderen Instrumente und Vorkehrungen versagen. Chef der internen Revision ab Mitte 2013 aber war Christian Sewing – der heutige Chef des größten deutschen Bankhauses.
Mehrmals prüfte seine Abteilung damals das Russland-Geschäft – allerdings ohne Verdächtiges zu bemerken. „Christian Sewing war weder direkt noch indirekt an dieser Prüfung beteiligt“, sagt Jörg Eigendorf. „So, wie es die Regularien auch damals vorgesehen haben.“Im Gegenteil sei es Christian Sewing gewesen, der die Konzernrevision neu aufgestellt und ihren Ausbau begonnen habe. Dem Aktienkurs des Geldhauses hat das gestern nicht geholfen: Titel der Deutschen Bank und der Commerzbank gehörten zu den größten Verlierern am Aktienmarkt.