Nendinger kämpfen für neues Wohngebiet
Junge Familien aus Nendingen kritisieren mögliche Einstellung des Verfahrens
TUTTLINGEN-NENDINGEN - Der Beschluss zur Einstellung des Bebauungsplanverfahrens des möglichen neuen Wohnbaugebiets „Unter dem Hägle II“hat in der jüngsten Ortschaftsratssitzung in Nendingen für großes Aufsehen gesorgt. Mehrere junge Familien mit Nendinger Wurzeln haben sich deshalb in einem Schreiben an Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck gewendet und die Argumente der Stadt für eine Einstellung kritisch hinterfragt.
Die Stadt nannte in der Ortschaftsratssitzung die Nähe zu einem landwirtschaftlichen Betrieb, der Grunderwerb der Flurstücke, die Anfahrt für den Schwerlastverkehr zur Erschließung des Neubaugebiets und weitere Hindernisse als Gründe für die Einstellung des Bebauungsplanverfahrens. Der Ortschaftsrat änderte in der Sitzung vor rund einer Woche den Beschlussvorschlag. Anstatt wie von der Stadt vorgeschlagen, das Bebauungsplanverfahren für das neue Wohnbaugebiet „Unter dem Hägle II“einzustellen, stimmten mit einer Enthaltung acht Räte dafür, dass die Stadt weiter mit den Eigentümern in Bezug auf den Grundstückserwerb verhandeln soll
TRAUERANZEIGEN (wir berichteten).
Da das Thema am Tag darauf bereits im Technischen Ausschuss des Tuttlinger Gemeinderats auf der Agenda stand, wandten sich mehrere junge Familien aus Nendingen wenige Stunden vor der Ausschusssitzung schriftlich an den OB. Die Folge: Michael Beck nahm den Tagesordnungspunkt zurück, um den Dialog mit den jungen bauwilligen Familien zu suchen. „Diese schnelle Reaktion des Oberbürgermeisters fanden wir fair und gut“, sagte die Nendingern Julia Braun.
Für den 36-jährigen Familienvater Andreas Brand und weitere Bauinteressenten stellt sich die Frage: Warum wurden diese Schwierigkeiten erst zu einem solch späten Zeitpunkt erkannt? „Diese Punkte ind offensichtlich gewesen, zudem sind es keine wirklichen Argumente, weil es für die dargestellten Probleme größtenteils Lösungen oder vergleichbare Situationen gibt“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung.
Brand frage sich mit Blick auf die Geruchsimmissionen und den damit verbundenen Gutachten, warum es möglichen Grundstückskäufern nicht selbst überlassen werde, in der Nähe des landwirtschaftlichen Betriebs zu bauen. Mitten im Ort selbst gäbe es Landwirtschaft mit Viehhaltung. Auch die Argumentation der Stadt, dass die rund 50 Baulücken im Dorf großes Potenzial bieten, teilen die jungen Familien nicht. „Das sind für uns keine Neuigkeiten. Aber die Privateigentümer verkaufen sie nicht oder nur zu einem nicht bezahlbaren Preis“, so Brand. Die Ansicht der Stadtverwaltung, dass die Baulücken eine „vernünftige Alternative“seien, teilt der Familienvater deshalb nicht. Gleiches gilt für die scheinbaren Probleme mit der Zuund Abfahrt. „Das Baugebiet ist über drei befahrbare Straßen und zwei Fußgängerwege angebunden, die auch mit einem LKW angefahren werden können“. Auch das Argument eines Schallgutachtens in Bezug der Lärmbelästigung der Züge könne er nicht nachvollziehen, denn bereits erschlossene Baugebiete wie „Auf Lett“würden deutlich näher an der Bahnlinie liegen.
Der Appell der bauwilligen Familien in Nendingen Richtung Stadtverwaltung ist eindeutig: „Wir erhoffen uns, dass die Stadt hartnäckiger mit den Eigentümern verhandelt und diese wiederum eine höhere Kompromissbereitschaft zeigen. Die genannten Probleme von Seiten der Verwaltung sehen wir als lösbar“, gibt die 30-jährige Julia Braun zu verstehen. Ihr und den weiteren Familien habe die Bürgernähe und die Transparenz der Stadt gefehlt, denn die Einstellung des Bebauungsplanverfahrens sei für sie plötzlich gekommen. Außerdem würde den Bauwilligen bei einer Einstellung die Perspektive und Alternative in Nendingen fehlen. „Wenn das Verfahren eingestellt wird, gibt es in den nächsten zehn bis 15 Jahren keinen Bauplatz in Nendingen, der für uns zu bezahlen ist“, sagte uns Julia Braun stellvertretend für die jungen, bauwilligen Familien mit Blick Richtung Stadt.
Andreas Brand ergänzt abschließend: „Es sollte im Interesse der Dorfgemeinschaft und somit auch der Stadt sein, junge Familien im Ort zu halten. Ohne die Bereitstellung von entsprechenden Bauflächen und den damit einhergehenden Zukunftsperspektiven werden viele Bauinteressenten gezwungen sein, in andere Orte zu ziehen“, findet Brand, der den Oberbürgermeister im Schreiben bat, das Bauflächenkonzept in Nendingen weiter zu verfolgen und sich eine Diskussionsrunde mit Michael Beck anstatt einer Infoveranstaltung wünscht. Ein Termin dafür ist noch nicht bekannt.