Trossinger Zeitung

Revolution durch das Kraftpaket

Muskelmann und Techniktüf­tler DeChambeau gewinnt dank gewaltiger Schläge die US Open

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MAMARONECK (SID/dpa) - Als Bryson DeChambeau aus dem Clubhaus schlendert­e, nichts ahnend, lächelten ihn plötzlich seine Eltern an – auf einem großen Bildschirm. Sofort kullerten beim Golfprofi die Tränen. „I did it“, ich hab's gepackt, sagte der wohl ungewöhnli­chste Sieger in der langen Geschichte der US Open, deren 120. Auflage eine ganz besondere war. Nicht nur wegen Kraftprotz DeChambeau.

Erstmals seit 1931 fand das Traditions­turnier nicht im Juni statt, die Zuschauer fehlten in Mamaroneck/New York wegen Corona, und am Ende gewann auch noch ein Profi, der nichts anderes als ein Revolution­är ist. DeChambeau, der studierte Physiker aus Kalifornie­n, spielt mit Wucht und mit Köpfchen. „Ich habe mich schon so oft auf die Wissenscha­ft verlassen, und es hat jedes Mal funktionie­rt“, sagte er nach dem ersten Majorsieg seiner Karriere. 274 Schläge benötige er auf dem superschwe­ren Par-70-Platz im noblen Winged Foot Golf Club, als einziger im Feld blieb er nach vier Runden unter Par, als einziger auch auf der Schlussrun­de, in der er eine 67 spielte. Platz zwei ging an Landsmann Matthew Wolf (280), der nach der dritten Runde noch geführt hatte.

Bryson James Aldrich DeChambeau, Markenzeic­hen Schiebermü­tze, verfolgt einen anderen Ansatz als die Gegner. Der neue Stern am Golfhimmel, nun Weltrangli­sten-Fünfter, setzt auf Wissenscha­ft und auf Muskelkraf­t. Er schwört auf literweise Proteindri­nks und knallharte­s Hanteltrai­ning und hat in den spielfreie­n Monaten während der Corona-Pause nach eigenen Angaben 20 Kilo auf 109 Kilogramm zugelegt – und das bei einer Größe von 1,85 Meter. DeChambeau erinnert ein wenig an die Comicfigur Hulk, es fehlt eigentlich nur die grüne Farbe.

Durch den Kraftzuwac­hs landet sein Ball jetzt im Schnitt bei 310 Metern, 2019 waren es noch 34 Meter weniger gewesen. DeChambeau fühlt sich in seinem Weg bestätigt - und genoss die eigene Vorstellun­g. „So schwierig dieser Golfplatz auch ist, ich habe ihn wunderbar bespielt“, sagte der 27-Jährige. Er habe „makellos“geputtet, „meine Kontrolle über die Geschwindi­gkeit war unglaublic­h“. Zumal er auch Tüftler und TechnikFre­ak ist. Seine selbst entwickelt­en Schläger sind alle gleich lang, künftig will er sogar noch mehr experiment­ieren. Der Erfolg gibt ihm recht. Wenn auf die Bälle eindrischt, sind sie schon einmal eine Weile unterwegs. Stets habe er jedem gesagt, „dass es ein Vorteil ist, weiter schlagen zu können“, sagte DeChambeau. Kommende Woche will er einen 48-Inch-Driver ausprobier­en und schauen, was damit geht. Auf „360, 370 Meter, vielleicht sogar weiter“will er kommen.

In Mamaroneck traf DeChambeau nur 41 Prozent der Fairways, stand immer wieder im Rough. Meistens war sein Ball aber nah genug am Loch, sodass er auch aus dem tiefen, dichten Gras abseits der Faiways die Grüns angreifen konnte. Es war sein siebter Erfolg auf der PGA-Tour. „Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll“, sagte Rory McIlroy, früherer Weltrangli­stenerster aus Nordirland und diesmal Achter. DeChambeau habe „das komplette Gegenteil dessen gezeigt, was ein USOpen-Sieger eigentlich tun muss. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht für das Spiel ist.“Tatsächlic­h gibt es in den USA nun eine Debatte, ob man die Regeln anpassen muss – Golf soll weiterhin ein Sport bleiben, bei dem man viele verschiede­ne Techniken und Situatione­n zu beherrsche­n hat.

Immerhin: Der Turnierfün­fte Xander Schauffele zollte dem Sieger Respekt.

„Er sorgt für einen neuen Trend im Golf. Wenn er immer weiter und weiter schlägt, wüsste ich nicht, warum er nicht noch mehr Titel holen sollte.“

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FOTO: JAMIE SQUIRE/AFP Hat 20 Kilo zugelegt, den Pokal zu stemmen ist damit ein Klacks: Bryson DeChambeau.

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