Mathe mit Maske
Wegen steigender Infektionszahlen kommt der Mund-Nasen-Schutz im Klassenzimmer an
STUTTGART - Die Temperatur sinkt, die Corona-Neuinfektionen steigen. Das wirkt sich auch auf die Schulen aus: Bald werden die Schüler vermehrt wohl auch im Unterricht einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen – nicht nur in Bayern, sondern auch im Südwesten.
Wie viele Schüler sind derzeit in Quarantäne?
Laut Kultusministerium mussten am Montag in Baden-Württemberg 572 Klassen von 291 Schulen zu Hause bleiben – gut 200 Klassen und 100 Schulen mehr als vor einer Woche. Damals waren drei Schulen ganz zu, nun sind es neun. Im Südwesten gibt es rund 67 500 Klassen an 4500 Schulen. Die tagesaktuellen Zahlen will das Ministerium ab sofort auf seiner Homepage veröffentlichen. Welche Auswirkungen das haben kann, zeigt sich am Otto-Hahn-Gymnasium in Tuttlingen. Fünf Klassen sind in Quarantäne, ebenso fast die Hälfte der gut 70 Lehrer. „Wir haben einen Mix aus Präsenz- und Fernunterricht, der jeden Schüler erreicht“, sagt Schulleiter Georg Schwarz. Zum Teil sitzt die Klasse im Raum, der Lehrer in Quarantäne schaltet sich per Video dazu.
Gilt denn nun auch Maskenpflicht im Unterricht?
In Bayern gilt im Unterricht wieder ein Abstandsgebot von 1,5 Metern im Unterricht, wenn es 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche gab. Das heißt, dass sehr viele Klassen geteilt werden müssen und sich der Unterricht zum Teil wieder aufs Fernlernen verlagert, weil dann nicht alle gleichzeitig in der Schule sein können. Eine Maskenpflicht ab Klasse 5 gilt schon ab 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern. Diese Werte beziehen sich im Freistaat auf die Infektionszahlen pro Kreis.
In Baden-Württemberg hingegen gilt eine generelle Maskenpflicht im Unterricht nur dann ab Klasse 5, wenn die Neuinfektionen landesweit den Wert von 35 überschreiten. Das ist noch nicht der Fall, am Montagabend lag er bei 31,5. In einigen Stadt und Landkreisen im Land ist der Wert aber bereits überschritten – etwa im Kreis Tuttlingen, der 36,2 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche verzeichnet. Hier sollen die Stadt- und Landkreise in Absprache mit den Gesundheitsämtern reagieren, erklärt eine Sprecherin von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). „Dafür werden wir die Kreise, Städte und Gemeinden im Land in Kürze mit einer Mitteilung über die kommunalen Landesverbände sensibilisieren.“
In Stuttgart werde der Mund-Nasen-Schutz ab Klasse 5 vorbereitet, sagt Matthias Schneider, GeschäftsSchülerinnen führer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Mit 55,8 Neuinfektionen in einer Woche pro 100 000 Einwohner liegt Stuttgart über dem kritischen Schwellenwert von 50 Neuinfektionen. Landkreistagspräsident Joachim Walter begrüßt, dass die Kreise für die Einführung der Maskenpflicht im Klassenraum zuständig sind. „Es gibt Fälle, in denen wir bereits den Schulleitern empfehlen, Maskenpflicht im Unterricht einzuführen“, sagt der Landrat des Kreises Tübingen. In einer Schule dort gelte aktuell eine Maskenpflicht für 14 Tage im Unterricht, weil ein Lehrer Corona-positiv ist.
Wie wichtig ist Lüften - und wird es jetzt kalt im Klassenzimmer? „Das regelmäßige Lüften aller Räume ist eine der zentralen Infektionsschutzmaßnahmen“, sagt Eisenmanns Sprecherin. Daher muss an den Schulen mindestens alle 45 Minuten gelüftet werden. „Diese Hygienehinweise werden wir in Kürze noch einmal in diesem Punkt nachschärfen“, sagt sie mit Verweis auf Gesundheitsexperten, die den Kultusministern der Länder eine Stoßlüftung im Klassenraum alle 20 Minuten für drei bis fünf Minuten empfohlen hatten. „Für die kalten Monate werden jetzt Pullover, Schals und Decken zur Grundausstattung der
und Schüler gehören“, sagte Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Philologenverbands, der die Gymnasiallehrer vertritt, der „Bild“. Zu Decken im Klassenzimmer äußert sich Johannes Volz, Gesamtelternbeiratsvorsitzender in Ravensburg, skeptisch. „In der Praxis scheint mir das mehr gut gemeint als durchdacht.“Sorgen, Kinder könnten sich bei geöffneten Fenster erkälten, hält Mediziner Bernhard Junge-Hülsing vom Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte für unberechtigt. Im Gegenteil sei es wahrscheinlicher, sich in einem schlecht gelüfteten Raum bei anderen anzustecken.
In wie vielen Schulen lassen sich die Fenster gar nicht öffnen? Dazu gibt es keine fundierten Zahlen. Die Kommunen als Schulträger sprechen von vereinzelten Räumen, in denen sich die Fenster nicht öffnen ließen. Gerhard Brand, Vorsitzender des Landesverbands Bildung und Erziehung, sagt indes: „Es sind überraschend viele Räume, in denen sich die Fenster nicht öffnen lassen.“
Sind Lüftungsanlagen die Lösung?
In einigen Schulen gibt es moderne Lüftungsanlagen im ganzen Gebäude. Für andere wünscht sich Matthias Schneider, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, mobile Luftreinigungsgeräte. „Das kostet halt deutlich mehr Geld als den Schülern zu sagen, bringt Masken mit“, kritisiert er. Bayerns Staatsregierung will für solche Geräte 37 Millionen Euro ausgeben. Baden-Württembergs Kultusministerium verweist dagegen auf die Kommunen als Schulträger: Ob diese Schulgebäude umbauen oder Luftfilter einsetzen, sei deren Entscheidung. Die Kommunen aber zögern unter anderem deshalb, weil sie keine klaren Empfehlungen vom Land bekommen, sagt etwa der Sprecher des Alb-Donau-Kreises. Zudem sei der wissenschaftliche Nutzen etwa von Lüftungsgeräten noch nicht eindeutig erwiesen und ihre korrekte Bedienung nicht ganz einfach. Darauf verweist die Stadt Friedrichshafen. Dort wurden Geräte bestellt, um in einem Test an Kitas und Schulen die Luftqualität zu analysieren.
Was ist die Alternative?
VBE-Landeschef Brand plädiert für eine Rückkehr zum rollierenden System wie nach den Schulschließungen im Frühjahr, als die Klassenstufen im Wochenwechsel unterrichtet wurden. „Als wir das hatten, gab es nicht viele Infektionen an den Schulen. Da sehe ich mehr Sinn drin als etwa beim Tragen von Masken.“