Kulturprogramm startet wieder durch
Stuttgarter Philharmoniker haben im Franziskaner gespielt - Pianist durfte nicht nach Deutschland einreisen
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (sbo) - Die Spielzeit 2020/21 der Stadt VS haben die Stuttgarter Philharmoniker unter Leitung von Conrad van Alphen eröffnet. Ein Glücksfall war Christopher Park, der den Freitagabend rettete, denn er sprang für den verhinderten Pianisten Nikolai Lugansky ein.
„Wir spielen wieder“, meinte Kulturamtsleiter Andreas Dobmeier bei seiner Begrüßung zum Auftakt der Spielzeit 2020/21. Allerdings sei alles anders. Er bat das Publikum, alle Angebote im Franziskaner oder dem Theater am Ring zu nutzen. Unter Beifall des Auditoriums dankte er den Stuttgarter Philharmonikern, dass sie zweimal auftreten, um gerade den Stammhörern ein emotionales Ereignis zu ermöglichen. Dobmeier wies darauf hin, dass der russische Pianist Nikolai Lugansky das
Chopin-Konzert hätte spielen sollen, aber wegen verschärfter Ein- und Ausreisebedingungen nicht auftreten konnte. Ersatzmann Christopher Park konnte nur einmal mit den Stuttgarter Musikern proben.
Das Orchester, das sonst die ganze Bühne des Franziskaner-Konzerthauses in Villingen füllte, war genauso gelichtet wie die Zuhörerreihen. Die Ausstrahlung der Musiker jedoch blieb, und ihre Kunst war werkgetreu und transparent, angeleitet durch den in Südafrika geborenen Conrad van Alphen. Er ließ den Taktstock in der rechten Hand wie ein Uhrwerk ticken und gab deutliche dynamische Zeichen mit der linken Hand. Damit war auch die gute Verständigung mit dem 33-jährigen Interpreten am Klavier garantiert, der Frédéric Chopins e-Moll-Klavierkonzert mit Tiefgang und Vitalität musizierte.
Mit dem langsamen Satz des Opus 11 bewies er, dass es auch in unserer technisierten Welt Raum für innigromantisches Lebensgefühl gibt. Christopher Park stellte nuancenreich die Schönheit der Romance heraus. Er lebte mit den Noten, die an seiner Mimik abzulesen waren, und er ließ in Klangbildern ein faszinierendes Nocturne entstehen, „eine Träumerei bei Mondenschein zur schönen Frühlingszeit“. Die SordinoStreicher sorgten für den angeglichenen, melancholischen Sound und ein bewundernswertes entschwebendes Schluss-Decrescendo.
Die Ecksätze bedienten treffend die Bezeichnungen Allegro maestoso und Vivace, und der Kopfsatz wurde zum Entree für meisterhaftes Virtuosentum. Die thematische Ausdehnung des ersten Satzes wurde im
Spektrum innerer Ruhe bis leidenschaftlicher Reaktion beherrscht, und das Rondo erfuhr tänzerische Krakowiakattribute ohne volkstümelnd zu wirken.
Ein musikalisches Zeugnis für Verwandlung boten die Stuttgarter mit den „Haydn-Variationen“von Johannes Brahms. Der Komponist entdeckte das Thema des „Chorale St. Antoni“in einer B-Dur-Feldpartita des Meisters von Esterházy. Auf die strukturellen Takt-Veränderungen wurde bereits im Programmheft hingewiesen, und unter Dirigent Conrad van Alphen gelang eine plastische, charakteristische Inszenierung von Thema und seinen neun Variationen. Bilder kamen besonders beim Finale auf, das mit 18 Thema-Wiederholungen glänzte, um Bass- und Melodiematerial in einem grandiosen Choral aufgehen zu lassen.