Trossingens Alltag ist jetzt museumsreif
Auberlehaus eröffnet am Wochenende die neue Dauerausstellung Leben - Wohnen - Arbeiten
TROSSINGEN - Ja, jetzt ist das langweilig. Aber in 20 Jahren! Das ist das Motto der Website „Techniktagebuch“, die alltägliche Gegenstände, ihre Funktion und Bedeutung beschreibt und damit digital für spätere Zeiten archiviert. Das könnte auch der Leitspruch der neuen Sammlung im Auberlehaus sei – nur eben nicht digital, sondern greifbar und anschaulich. Am Wochenende, 17. und 18. Oktober, wird die Eröffnung gefeiert.
Museumsleiter Volker Neipp ist sicht- und hörbar stolz auf die neu gestaltete oberste Etage des Hauses, das ja selbst seine Rolle in der Trossinger Geschichte spielt. In der neuen Dauerausstellung werden jetzt zahllose Dokumente gesichert, präsentiert und erläutert – komplette Zimmereinrichtungen aus Trossinger Wohnhäusern, Ladeneinrichtungen, Werkstätten oder Landwirtschaft. Sie erinnern in wunderbaren Details an den Alltag in der Musikstadt, der sich von den späten Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die 70er des 20. Jahrhunderts wenig, danach aber rasant verändert hat.
Das Wohnzimmer beispielsweise, in dem Ältere viele Gegenstände und
Inventardetails erkennen, vor denen junge Menschen vermutlich fragend stehen: das grüne Telefon mit Wahlscheibe etwa, die klobige Fernsehtruhe, die Möbel in Gelsenkirchener Barock. Oder das Schlafzimmer mit Kitschbild über dem Ehebett, mit dem Zugschalter, um die Deckenleuchte auszuschalten, dem Spucknapf neben dem Kopfkissen. Die Küche mit dem Kohleherd oder dem rundlichen Kühlschrank von 1957. Und allen Räumen sieht man an, dass sie teils noch bis vor wenigen Jahren Menschen zum normalen Leben dienten.
Man weiß gar nicht, wohin man zuerst schauen möchte: Die Getreidesäcke mit den aufgeprägten Namen der Bauern, die Flaschnerwerkstatt samt Werkzeug oder – ein besonderer Blickfang – der Tisch aus der Malerwerkstatt von Gerhard Messner: Jahrzehntelang haben die Maler hier Farbe am Tisch abgestrichen, so dass sich wohl Hunderte bunter Schichten und so ein Kunstwerk ganz eigener Art gebildet haben. Auch diese Räumlichkeit war noch bis vor wenigen Jahren eine alltägliche Arbeitsstätte.
Über Jahre hat das Team vom Auberlehaus solche Inventare gesammelt, aufbereitet und inventarisiert. Jetzt ist die neue Ausstellung fast fertig. Was coronabedingt vorerst nicht eingesetzt werden kann, sind touchscreen-gesteuerte Bildschirme mit Erläuterungen. Volker Neipp unterstreicht, dass seine Mitstreiter des Auberlehaus-Vereins die meisten Arbeiten in Eigenregie und in Tausenden ehrenamtlich geleisteter Stunden ausgeführt haben.
Die Arbeiten haben sich gelohnt. Das Museum geht mit seinen Besucherinnen und Besuchern auf eine Zeitreise, für die man sich auch etwas Zeit mitbringen sollte – so viel gibt es zum genauen Hinsehen. Zum Konzept gehört es, eben nicht nur die Trossinger „Größen“wie Hohner vorzustellen, sondern auch viele Geschäfte und Gewerke, die es heute nicht mehr gibt. Neipp: „Wir wollen zeigen, dass es nicht nur Harmonikas gab und gibt, sondern auch das, was sonst so war.“
Wer weiß, dass in Trossingen einmal Fahrräder hergestellt wurden, wer kennt noch das Textilunternehmen Clara Diehl, die Trossinger Limonade „Citronalco“, die Tante-Emma-Läden? Ihnen setzt das Auberlehaus ein lebendiges Denkmal. Das reicht bis in die jüngste Zukunft: In einem Raum stehen schon zwei kleine Maschinen und der Musterschrank der eben geschlossenen Kartonagen-Fabrik Birk. Der Trossinger Alltag im Leben, im Wohnen und im Arbeiten – er ist museumsreif geworden. Und das ist keinesfalls abwertend gemeint.