Gericht kippt Paritätsgesetz in Brandenburg
Frauen und Männer müssen auf den Landeslisten der Parteien nicht gleichmäßig vertreten sein
POTSDAM (dpa) - Bei den Landtagswahlen in Brandenburg ist künftig nicht zwingend vorgeschrieben, dass Männer und Frauen gleichmäßig auf den Landeslisten der Parteien stehen müssen. Brandenburg wäre bundesweit das erste Land mit einem geltenden Paritätsgesetz gewesen. Das Landesverfassungsgericht Brandenburg lehnte jedoch am Freitag das Gesetz ab und bezeichnete es als verfassungswidrig. Die Entscheidung wurde einstimmig getroffen, wie es in der mündlichen Verkündung hieß.
Das Gesetz beschränke die Freiheiten der Parteien bei der Aufstellung von Kandidaten und damit die Teilnahme an Wahlen, teilte das Gericht mit. Der Grundsatz der Freiheit der Wahl gelte für Parteien bereits vor der Wahl. Schon bei der Aufstellung der Kandidatenlisten müsse die Offenheit des Willensbildungsprozesses vom Volk bis zu den Staatsorganen gewährleistet werden. Durch ein Paritätsgesetz nähme der Gesetzgeber Einfluss auf die Zusammensetzung der Listen. Zudem könnten Parteien Schwierigkeiten haben, ihre Listen abwechselnd mit einer Frau und einem Mann zu besetzen. Das könnte wiederum Einfluss auf die Chancen der Parteien bei der Wahl haben, so die Richter.
Verhandelt wurden Klagen der NPD und der AfD, die durch das Gesetz die Freiheit der Wahl und die Organisationsfreiheit der Parteien gravierend beeinträchtigt sehen. Außerdem hatten vier AfD-Landtagsabgeordnete Verfassungsbeschwerden eingelegt. Der Landtag hatte 2019 mehrheitlich für das Gesetz gestimmt – seit dem 30. Juni 2020 war es in Kraft.
Brandenburg war das erste Bundesland mit einem Paritätsgesetz. In mehreren Bundesländern wurde oder wird über eine Paritätsregelung diskutiert. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof kippte bereits im Juli die dortige Regelung im Landeswahlrecht, wonach Parteien ihre Kandidatenlisten für Landtagswahlen abwechselnd mit Männern und Frauen besetzen müssen.
Auch auf Bundesebene kämpfen Frauen für mehr Teilhabe in Parlamenten, zum Beispiel die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, und die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Der Frauenanteil im Bundestag war bei der Wahl 2017 von zuvor 37,3 Prozent auf 31,2 Prozent gesunken. Im Brandenburger Landtag liegt der Anteil weiblicher Abgeordneter bei rund einem Drittel.
Die Bundestags-Grünen zeigten sich enttäuscht über das Scheitern des Brandenburger Paritätsgesetzes. Eine verfassungsgemäße Lösung sei noch nicht gefunden, der politische Handlungsbedarf bleibe aber bestehen, sagte die frauenpolitische Sprecherin Ulle Schauws am Freitag. Das Vorhaben einer Kommission, die Empfehlungen für eine gesetzliche Regelung erarbeite, sei von der Großen Koalition vertagt worden. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD im Bundestag, Katja Mast, verwies auf den Gleichstellungsauftrag im Grundgesetz. Die Debatte hierüber sei mit dem Urteil in Brandenburg „natürlich nicht beendet“.
Die stellvertretende Brandenburg-AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag in Potsdam, Birgit Bessin, sagte zu der Gerichtsentscheidung: „Die Verfassungsbeschwerde war zulässig und begründet. Es sei das Wichtigste, dass das Gesetz damit für nichtig erklärt worden sei.
Brandenburgs Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke hatte die Regelung verteidigt. Die Entscheidung des Gerichts ist aus ihrer Sicht eine Chance, neu darüber nachzudenken.