Gewalt in Belarus
Polizei geht gegen Gegner von Präsident Lukaschenko vor
MINSK (dpa) - Mehr als 100 000 Menschen haben ungeachtet eines massiven Polizei- und Militäraufgebots den elften Sonntag in Serie in Belarus gegen Machthaber Alexander Lukaschenko protestiert. Nach weitgehendem friedlichem Verlauf setzte die Polizei am Abend in Minsk Blendund Lärmgranaten gegen Demonstranten ein. Augenzeugen berichteten im Nachrichtenkanal Telegram von Verletzten. Das Innenministerium bestätigte den Einsatz der Spezialmittel gegen „gewaltbereite Demonstranten“. Sie sollen eine Absperrung durchbrochen haben. Auf Videos waren Schuss- und Explosionsgeräusche zu hören sowie Blitzlichtgewitter zu sehen.
Das Menschenrechtszentrum Wesna berichtete von rund 100 Festnahmen in verschiedenen Städten des Landes, in denen es ebenfalls Proteste gab. In Minsk strömten die Menschen aus verschiedenen Richtungen im Zentrum von Minsk zur „Stele“, einem Platz zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. „Lang lebe Belarus!“, skandierten sie dabei. Viele trugen die historische weiß-rot-weiße Fahne, wie das oppositionelle Internetportal Strana dlja Schisni (Ein Land zum Leben) zeigte.
In der Stadt Lida bestätigten die Behörden den Einsatz von Tränengas. Hundertschaften von Polizei und Militär hatten das Zentrum der Hauptstadt Minsk abgeriegelt. Bewaffnete Uniformierte mit Sturmhauben bezogen unter anderem an der Straße Prospekt
der Sieger und am Unabhängigkeitsprospekt Stellung, um die Sonntagsdemonstration zu verhindern.
Die Behörden sperrten sämtliche Metrostationen im Zentrum, um den Zustrom von Menschen aus den Stadtteilen zu verhindern. Sie schalteten auch das mobile Hochgeschwindigkeitsinternet ab, damit sich die Menschen nicht zu Protesten verabreden können.
Seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August kommt es in der Ex-Sowjetrepublik immer wieder zu Protesten, weil sich Lukaschenko nach 26 Jahren an der Macht mit rund 80 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären ließ. Die Demokratiebewegung beansprucht den Sieg für die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja. Die EU unterstützt Lukaschenkos Gegner und erkennt den langjährigen Machthaber nicht mehr als Präsidenten an. Unterstützung erhält der 66-Jährige aus Russland.