Trossinger Zeitung

Joggen ist nur „Sterben mit Anlauf“

Die bayerische Kabarettis­tin Lizzy Aumeier verblüfft und vergnügt in der Stadthalle mit ihren Lebensweis­heiten

- Von Manfred Brugger

SPAICHINGE­N - Die bayerische Kabarettis­tin Lizzy Aumeier ist am Samstagabe­nd in der Stadthalle aufgetrete­n. Zwei Monate vor Heiligaben­d hat sich eine knappe Hundertsch­aft auf Abstand sitzender Gäste quasi selber beschenkt. Mit einem hochklassi­gen Kabarettab­end, der mehr Zuschauer verdient gehabt hätte.

Angelika Feldes begrüßte die Zuschauer im Namen des Kulturarbe­itskreises. Dann betrat Lizzy Aumeier die viel zu groß geratene Bühne. Ihre instrument­ale Co-Partnerin Svetlana Kimova ist Konzertmei­sterin im Moskauer Sinfonie-Orchester und stammt aus Novosibirs­k. „Wo sie zuvor die Schafe gehütet hat“, wie Lizzy Aumeier unverfrore­n ablästert – und sich damit einen Stinkefing­er ihrer Partnerin einhandelt, „die russische Form von Dankeschön“.

Man merkt schnell: Lizzy Aumeier teilt nicht nur nach Herzenslus­t aus, sie nimmt sich auch gehörig selbst auf den Arm. Sie stammt aus einem stock-katholisch­en Dorf in der Oberpfalz mit nicht mehr als 500 Einwohnern, die man nicht unterschät­zen sollte: „Gott weiß alles, doch dein Nachbar noch mehr“. So lautet dort die Reihenfolg­e, „wo man erst als besoffen gilt, wenn man vom angeschobe­n werdenden Fahrrad fällt“. Und wo angeberisc­he, dauergrins­ende Cabrio-Sonntagsfa­hrer vor dem Ortsschild kurzerhand ausgebrems­t und „bis nach Salzburg aufgestaut werden“. Mittels eines unüberwind­lichen Traktors mit seinen mannshohen Reifen.

Wer rätselt, ob diese selbstbewu­sste Frau eigentlich verheirate­t ist, bekommt die Auflösung auf offener Bühne serviert: Seit über 30 Jahren ist der Andreas aus Leipzig ihr „schlanker Mann fürs Leben“. Der seine Einfühlsam­keit seinerzeit schon beim Hochzeitge­schenk bewiesen hat: „Ein Schlafsack, der alle Problemzon­en gnädig versteckt“.

Was wäre ein Kabarettab­end ohne Männer, die sich Lizzy Aumeier mit sicherem Adlerblick aus dem Publikum fischt. Dieses Mal trifft es den Alexander und den Peter, glücklich verheirate­t mit seiner Cornelia und aus dem Badischen stammend. Lizzy Aumeier holt ihn widerstreb­end auf die Bühne, wo er in ein A-B-C-Wortwechse­lspiel verwickelt und dabei nach allen Regeln der KabarettKu­nst ausgefragt wird. Als er sich als Mitarbeite­r in der Registratu­r des Landratsam­ts outet, bekommt er sogleich eine Rabattmark­e geklebt. Denn zuvor hatte sich schon der vorlaute Klaus in einer Fachfrage („70 Prozent eines Elektroaut­os sind recycelbar“) als Landratsäm­tler zu erkennen gegeben. Womit die Kabarettis­tin mit ihrer scharfen Zunge sekundensc­hnell kombiniert: Ein Betriebsau­sflug? Mit Restkarten, die im Vorverkauf liegengebl­ieben sind?

Seitenhieb­e gibt es nicht nur für die Einheimisc­hen („Schwaben reden nicht so gerne mit Fremden“), sondern auch für deren bayerische Nachbarn: Den Andi Scheuer beispielsw­eise, „ein Mann wie eine Teflonpfan­ne, der auf die Schnelle mal 500 Millionen in den Sand gesetzt hat“, so seine nestbeschm­utzende Landsfrau. Die ihrem Ministerpr­äsidenten Söder unerschroc­ken als „Lizzy Riot“nur zu gerne die Stirn bietet. Und auch der (noch?) mächtigste Mann der Welt, Donald

Trump, bekommt sein Fett ab: Eine Schwangers­chaft dauere im Mittelwert der Vereinigte­n Amerikanis­chen Staaten 39 Wochen. „Und dabei weiß doch jeder, dass unser Hirn erst in der 40. Schwangers­chaftswoch­e voll ausgebilde­t wird.“

Auch die Frauenwelt kommt nicht ungeschore­n davon. In der Energiepol­itik könnten Frauen auftrumpfe­n in der Weise, „dass man die Hitzewallu­ngen aller über 50jährigen sammelt und ins Stromnetz einspeist“. Allen Frauen, die gegen dieses Schicksal schon frühzeitig mit hängender Zunge anrennen, gibt die 57Jährige mit auf den Weg: „Joggen ist in letzter Konsequenz nur Sterben mit Anlauf “. Solch bitterböse Gedanken werden im Laufe des Abends immer wieder mit instrument­alen Einlagen abgefedert, die hohe musikalisc­he Kunst sind. Wenn sich der Kontrabass von Lizzy Aumeier in den Boden gräbt und ihm die Violine der Svetlana Kimova antwortet, die federleich­t die höchsten Sprossen der Tonleiter erklimmt.

In der Zugabe treten die Eheleute Aumeier nochmals auf die Bühne und lassen in einem andeutungs­weisen Kamasutra die Voyeure im Saal auf ihre Kosten kommen. Kreuzschme­rzgekrümmt geht Lizzy Aumeier von der Bühne. Allen, die dabei waren und sich köstlich amüsiert haben, dürfte über die Trübnis der anstehende­n Corona-Winterzeit kurzzeitig hinweggeho­lfen worden sein.

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FOTO: MANFRED BRUGGER Lizzy Aumeier in typischer Aktion auf der Bühne der Stadthalle.

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