Pro & Contra
Neue Bauflächen in Tuttlingen zu schaffen, ist ein schwieriges Unterfangen. Man sieht das bei der Erweiterung des Gewerbegebiets Gänsäcker oder bei dem aktuell gescheiterten Versuch, das Gelände von Straßenbau Storz städtebaulich zu nutzen, etwa zu einem Wohngebiet umzuwandeln.
Neue Bauflächen sind also kostbar, und da ist es umso wichtiger, sie wohlüberlegt zu nutzen. Die für Thiergarten West angedachte Bebauung spiegelt wider, was moderne städtebauliche Überlegungen und der Umweltschutz fordern: eine weitgehend verdichtete Bauweise und nur wenige Einfamilienhäuser. Das Konzept ist die logische Fortführung des bestehenden Baugebiets. Auch, dass eine Bauverpflichtung damit verbunden ist, ist nur logisch.
Es ist völlig legitim, rechtliche Mittel wie diese zu nutzen, wenn die Stadtentwicklung vorangehen soll. An Stellen wie der Panoramastraße oder der Plettenbergstraße ist das nicht passiert. Jahrzehntelang liegen dort deshalb Bauplätze brach, nach denen sich Häuslebauer heute die Finger lecken würden. Eine Stadt wie Tuttlingen, die wachsen will, kann sich das einfach nicht mehr leisten. Dass die Thiergarten-Erweiterung nun den Eigentümern im Umlegungsverfahren einiges abverlangt, mag nicht alle erfreuen – es ist aber unvermeidlich. Denn nur so kann sich Tuttlingen für die Zukunft gut aufstellen. Eigentum ist ein hohes Gut, ja, aber Eigentum verpflichtet auch.
Dorothea Hecht
d.hecht@schwaebische.de
Nur wenige Grundstücke für Häuslebauer in Thiergarten kommen auf den freien Markt. Das mag für Bauinteressenten befremdlich sein. Allerdings muss man sehen, dass es sich dabei um Privatflächen handelt, mit denen die Eigentümer im besten Falle machen können, was sie wollen. Die meisten wollten ihre Grundstücke behalten oder gegen gleichwertige Parzellen eingetauscht haben. Das ist ihr gutes Recht.
Denn Artikel 14 des Grundgesetzes gewährleistet Eigentum als hohes Gut. „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“, steht dort. Wo genau das Allgemeinwohl anfängt und wo es aufhört, bleibt jedoch Ermessenssache.
Die Erweiterung Thiergartens ist ein deutlicher Eingriff in die Privatsphäre. Vielleicht sind die Grundstücke
„Eigentum verpflichtet.“
„Eigentum ist ein hohes Gut.“
schon seit Jahren im Familienbesitz und sollten für den Nachwuchs als Bauland aufbewahrt werden. Oder sie sind als eine Art Versicherung gedacht, um sie im Notfall verkaufen zu können. Und zwar dann, wenn man das Geld braucht, und nicht, weil die Stadt das Gelände nun bebauen will. Was fängt man in den jetzigen Krisenzeiten mit Bargeld an? Zinsen gibt es dafür schließlich keine. Das Geld verliert eher an Wert.
So haben die Eigentümer nun zehn Jahre Zeit, um ihr Grundstück zu bebauen oder es vielleicht doch noch zu veräußern. Das wiederum ist fair, denn in diesem Zeitrahmen lassen sich Lebensentscheidungen ohne großen Druck treffen.
Ingeborg Wagner
i.wagner@schwaebische.de