„Guter Zeitpunkt, einen Schnitt zu machen“
Talheims scheidender Bürgermeister Martin Hall erinnert sich an 16 Jahre Amtszeit
TALHEIM - Nach 16 Jahren im Amt wird Talheims Bürgermeister Martin Hall am kommenden Dienstag offiziell verabschiedet. Hall hatte sich aus privaten Gründen entschlossen, bei der Wahl nicht mehr anzutreten. Wie es sich anfühlt, in einer Ausnahmesitutation wie der Corona-Pandemie zu gehen und was er gerne noch in Talheim bewegt hätte, hat er unserer Redakteurin Larissa Schütz erzählt.
Herr Hall, Sie waren 16 Jahre lang Talheims Bürgermeister. Wie fühlt es sich an, ausgerechnet in der derzeitigen unsicheren Situation aufzuhören?
Natürlich ist das jetzt aufgrund der Corona-Krise kein idealer Zeitpunkt. Der Kontakt zu den Bürgern ist dieses Jahr verloren gegangen, weil keinerlei Veranstaltungen stattfinden konnten. Es kann keine große Verabschiedung geben und auch keine große öffentliche Amtseinsetzung meines Nachfolgers, das ist schon sehr schade. Talheim ist gut aufgestellt. Wir sind finanziell bislang gut durch die Krise gekommen. Wir haben rund drei Millionen Euro an Rücklagen und keine Schulden. Bei uns im Ort ist viel Handwerk angesiedelt und die Handwerksbetriebe waren bislang gut ausgelastet. Talheim hatte sehr gute Jahre, die Gemeinde ist gesund. Unabhängig von der Pandemie ist es also ein guter Zeitpunkt, einen Schnitt zu machen: Die wichtigen Projekte sind abgeschlossen, neue können gestartet werden und weitere Planungen sind am Laufen.
In Talheim ist während Ihrer Amtszeit viel passiert: Sie haben die große Kanalkonzeption abgeschlossen, die Sanierung der Festhalle und Gestaltung von deren Außenbereich, die KindergartenErweiterung. Gibt es Projekte, die sie gerne noch umgesetzt hätten? (lacht) Es gibt Sachen, die man immer schiebt, weil andere Projekte wichtiger sind, das ist klar. Das ist wohl in jeder Gemeinde so. Was ich aber gerne noch geschafft hätte: In Talheim einen eigenen Bauhof einzurichten und unser Heimatbuch fortzuschreiben.
Bevor Sie damals Bürgermeister wurden, waren Sie mit Leib und Seele Revierförster. Wie kam es zu dem Berufswechsel?
Damals wurde im Zuge der Verwaltungsreform gerade das von mir betreute Forstrevier Talheim/Durchhausen aufgelöst. Es hätte eine Altereingefunden. nativstelle für mich gegeben, aber ich war doch etwas frustriert: Kurz zuvor wurde das Flurbereinigungsverfahren Durchhausen Wald abgeschlossen und plötzlich sollte ich an anderer Stelle von vorne anfangen. Zu dieser Zeit wurde in Talheim aber auch ein neuer Bürgermeister gesucht und ich wurde von Talheimern angesprochen, ob ich mir nicht vorstellen könnte, zu kandidieren. Nachdem ich lange darüber nachgedacht hatte, reizte mich der Gedanke tatsächlich, denn mit der Gemeinde zusammenzuarbeiten, fand ich schon als Revierförster immer toll. Damals traten sieben Kandidaten an, und ich konnte mir überhaupt nicht sicher sein, ob ich gewählt werden würde. Aber es hat geklappt und heute, im Rückblick, muss ich sagen: Ich hatte das Glück zwei Traumberufe ausüben zu dürfen, Revierförster und Bürgermeister.
Es war sicher zunächst eine große Umstellung, ins Rathaus umzuziehen ...
Am Anfang definitiv, ja. Als Bürgermeister hatte ich ganz vielfältige Aufgaben und war für alles zuständig. Ich hatte viele Ideen und Pläne, was ich in der Gemeinde gerne ändern und anpacken wollte und musste erkennen, dass nicht alles durchführbar und auch finanzierbar ist. Aber ich habe mich schnell
Ich wollte später auch nie in eine andere, vielleicht größere Gemeinde wechseln. Ich kenne Talheim und habe guten Kontakt zu den Bürgern. Hier bin ich verwurzelt.
In Talheim ging es in den 16 Jahren Ihrer Amtszeit meist sehr harmonisch zu. Gab es auch mal stürmische Zeiten?
2012 war die Ansiedlung eines Großkrematoriums im Gewerbegebiet Ried West ein Thema und das für viele Diskussionen gesorgt hat. Im Ort gab es zwei Lager, die Gegner und die Befürworter. Wir haben uns entschlossen, die Bürger selbst entscheiden zu lassen. Das war der erste Bürgerentscheid, der in Talheim stattgefunden hat, und er ging klar gegen das Krematorium aus. Spannend war auch die Frage, wie es mit unserer Schule weitergehen wird. Für mich war immer klar, dass wir die Schule auch bei niedrigen Schülerzahlen nicht schließen wollen. Jahrgangsübergreifende Klassen und Lehrermangel haben uns beschäftigt, doch gefreut haben wir uns, dass die Schulleiterstelle neu besetzt werden konnte. Im neuen Schuljahr konnten 14 Erstklässler eingeschult werden und im kommenden Jahr werden voraussichtlich 16 Erstklässler starten. Ich denke, die Schule ist auf einem guten Weg.
Zu einem Abschied gehören traditionell auch gute Wünsche. Was wünschen Sie der Gemeinde für die Zukunft?
Ich wünsche mir für Talheim eine weiterhin gute Entwicklung und dass der dörfliche Charme des Ortes bewahrt werden kann. Durch die Corona-Krise hat das dörfliche Miteinander stark gelitten und so hoffe ich, dass wir alle bald wieder zu einer Normalität zurückfinden. In Talheim kennt man sich und man hilft sich, und das ist eine schöne Sache. Ich hoffe, dass Talheim seine Selbstständigkeit bewahren kann, denn es wird für kleine Gemeinden immer schwieriger, die vielfältigen anfallenden Aufgaben alleine zu stemmen.
Und wie geht es für Sie jetzt weiter?
Manches ist während meiner Amtszeit vielleicht zu kurz gekommen. Ich freue mich, jetzt wieder mehr Zeit für die Familie zu haben, könnte mir auch gut vorstellen, mich weiter ehrenamtlich zu engagieren - aber das lasse ich alles auf mich zukommen.