„Supermario“muss ein Wunder vollbringen
Mario Draghi soll neue italienische Regierung bilden – Ehemaliger Chef der EZB vor Mammutaufgabe
ROM - Mario Draghi soll die Regierungskrise in Italien lösen. Am Mittwoch akzeptierte der Ex-Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) die ihm vom Staatspräsidenten Sergio Mattarella übertragene Aufgabe der Regierungsbildung.
„Supermario“, wie der 73-jährige Draghi in Italien aufgrund seiner Erfolge als EZB-Chef von 2011 bis 2019 genannt wird, soll ein Wunder vollbringen. Er soll eine neue Regierung bilden, die eine satte Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments erhält. Mit Draghi und einer von ihm gebildeten starken Regierung, so hofft Mattarella, soll endlich wieder innenpolitische Ruhe in Italien einkehren.
Mitte Januar hatte Matteo Renzi, ehemaliger Regierungschef und Chef der kleinen Partei Italia Viva, seine beiden Ministerinnen aus der Regierung von Giuseppe Conte abgezogen. Renzi war Teil der Koalitionsregierung aus den Sozialdemokraten, der 5-Sterne-Bewegung und anderen kleineren Parteien.
Renzi warf dem Regierungschef Conte vor allem vor, seine Entscheidungen ohne Absegnung durch das Parlament zu treffen. Renzi kritisierte auch, dass die 5-Sterne-Bewegung die Überweisung von rund 37 Milliarden Euro aus dem Europäischen Stabilitätsfonds, zu einem geringen Zinssatz, entschieden ablehnt. Das Geld ist an die Vorgabe gebunden, das angeschlagene Gesundheitssystem Italiens zu modernisieren.
Der jetzt ausgeschiedene Regierungschef Conte hatte nach Renzis Abgang versucht, in beiden Kammern des Parlaments eine solide Mehrheit zu erhalten. Im Senat war er damit gescheitert. Er versuchte, Abgeordnete und Senatoren aus den Oppositionsparteien auf seine Seite zu ziehen. Matteo Salvini, Chef der rechtsnationalen Lega, sprach in diesem Zusammenhang von „skandalösem Kuhhandel“. Doch auch dieser Rettungsversuch für die Regierung Conte scheiterte. Nicht zuletzt auch daran, dass Renzi nichts unterließ, um eine neue Regierung mit Conte zu verhindern.
Renzi sieht sich nun als Sieger der Krise. Seit Wochen hatte er entweder
Neuwahlen oder die Ernennung einer hochangesehenen Persönlichkeit gefordert, um zu einer starken neuen Regierung zu kommen.
Mario Draghi gilt als solch eine Persönlichkeit. Bis auf die 5-SterneBewegung begrüßen alle italienischen Parteien seine Ernennung zum designierten neuen Regierungschef.
Doch noch ist nicht klar, ob Draghi eine politische Regierung aus Parteirepräsentanten oder eine Regierung aus unparteiischen Experten bilden wird, eine Technikerregierung. Wahrscheinlich wird er einen Mittelweg wählen. Nur so kann er mit Sicherheit in beiden Kammern des Parlaments eine entscheidende Regierungsmehrheit erhalten.
Klar ist, dass Draghi eine Regierung bilden wird, in deren Zentrum die aktuellen gesundheits-, sozialund wirtschaftspolitischen Herausforderungen stehen. Auf parteipolitische Sonderwünsche wird er wenig Rücksicht nehmen. Das machte er am Mittwoch, nach seinem Treffen mit dem Staatspräsidenten, deutlich.
Draghi kann sich der Unterstützung durch Berlin und Brüssel sicher sein. Und er ist in Italien sehr populär. Umfragen zufolge erwartet sich eine Mehrheit der Italiener, dass schnell eine Regierung gebildet wird, um die, so Nicola Zingaretti, Chef der Sozialdemokraten, „epochalen Herausforderungen in den Griff zu bekommen“.
Eine dieser Herausforderungen ist die präzise Auflistung all jener Projekte bis Mitte April, für die die etwa 209 Milliarden Euro ausgegebenen werden sollen, die Brüssel Italien aus dem Recovery Fund zur Verfügung stellt. Das ist ein in der modernen Geschichte Italiens nie dagewesener Geldsegen.
Doch bis sich eine neue Regierung unter Mario Draghi an diese für Italien wichtige Arbeit machen kann, muss eine neue Ministerriege geschaffen werden. Und sie muss sich im Parlament der Vertrauensfrage stellen. Das wird mindestens eine Woche in Anspruch nehmen. „Eine auf den ersten Blick nur kurze Zeitspanne“, sagt der Sozialdemokrat und Philosoph Massimo Cacciari, „aber in dieser dramatischen Pandemiezeit sind das viel zu viele Tage ohne eine politische Führung“.