Über die Millionen der Diözese mitentscheiden
Warum der Diözesanrat Rottenburg-Stuttgart einzigartig ist
DENKINGEN - Norbert Anton Schnee (66), Drechslermeister, wurde Anfang des Jahres erneut auf fünf Jahre in den Rat der Diözese Rottenburg-Stuttgart gewählt. Damit gehört der Denkinger dem Diözesanrat, der circa 120 Mitglieder zählt, seit 1980 ohne Unterbrechungen an. Vergangenen Samstag traf sich das neu gewählte Gremium zum Kennenlernen digital. Im Interview mit Anke Kumbier spricht Schnee darüber, was diesen Rat besonders macht und welche Themen gegenwärtig anstehen.
Sie wurden Anfang des Jahres erneut in den Diözesanrat gewählt. Was bedeutet das für Sie?
Ich freue mich ganz stark. Das ist ein großer Vertrauensbeweis. Ich werde mich weiterhin für die Gemeinden im Dekanat Tuttlingen-Spaichingen einsetzen und im Diözesanrat mit Engagement mitarbeiten. Ich war und bin in vielen Gremien, aber dieses ist mir das liebste.
Der Diözesanrat setzt sich aus katholischen Laien und Klerikern zusammen. Was ist seine Aufgabe? Der Diözesanrat ist, im Vergleich zur Geschichte der Kirche, relativ jung. Er wurde vor 50 Jahren eingerichtet, der erste Vertreter für das Dekanat Spaichingen war damals Erwin Teufel. Das Besondere am Rat der Diözese Rottenburg-Stuttgart, das ihn auch von anderen Diözesanräten unterscheidet, ist seine Dreigliederung. Die Steuervertretung,
also die gewählte Vertretung, die über die Verteilung der Gelder aus der Kirchensteuer entscheidet, der Katholikenrat, als Vertreter der Katholiken und der Pastoralrat, der für die Seelsorge zuständig ist, sind in einem Gremium zusammengefasst.
Was genau bedeutet es, die Steuervertretung zu sein?
Mit 1,8 Millionen Katholiken ist Rottenburg-Stuttgart die viertgrößte Diözese in Deutschland. Das bedeutet, dass Laien und Kleriker im Diözesanrat gemeinsam bestimmen, was mit über 240 Millionen Euro passiert. Dabei geht es um die Kosten für das Personal, die Caritas, die Schul- und Klinikseelsorge oder die kirchliche Verwaltung.
Gibt es auch Kontroversen zwischen dem Rat und der Diözese? Es gibt schon mal Meinungsverschiedenheiten, aber die letzte richtige Kontroverse ist eine ganz alte Geschichte, da ging es darum, ob die Diözese ihren Sitz von Rottenburg nach Stuttgart verlegt. Der Sitz ist dann in Rottenburg geblieben.
Was waren in den vergangenen fünf Jahren wichtige Themen?
Ein großer Aspekt war und ist die Gemeindeentwicklung: Wie stellt sich die Kirche vor Ort auf? Wo tritt die Kirche mit den Menschen in Kontakt und was sind Visionen für die Zukunft? Im vergangenen September hatten wir dazu eine große Sitzung in Untermarchtal. Dabei hat sich herausgestellt, es gibt kein Ei des Kolumbus, die Unterschiede zwischen den Gemeinden sind groß. Immerhin umfasst die Diözese Rottenburg ja ganz Württemberg.
Das Treffen im September war aber ein Anstoß für die Gemeinden, weiter zu bohren und an diesem Thema dranzubleiben. Außerdem ist der Synodale Weg (ein Gesprächsformat um die Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche aufzuarbeiten,
weiterhin ein großes Thema, von dem die Kirchen in ganz Deutschland betroffen sind.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, die auf die katholische Kirche in den nächsten Jahren zukommen?
Die Frage, wie es mit den Gemeinden und dem Glauben insgesamt weitergeht. Die Kirche ist eigentlich nur ein Werkzeug, um den Kontakt zwischen Menschen und Gott herzustellen. Gelingt es der Kirche, bei jungen Menschen wieder die Lust auf Gott zu wecken? Die Kirche sollte da meiner Meinung nach nicht so viel Papier produzieren, sondern nah bei den Menschen sein. Wir müssen die Kirche an der Basis stärken, da, wo sie Menschen in Notsituationen beisteht.
Erreicht die Kirche in der Pandemie noch ihre Mitglieder?
Ich denke schon, dass es der Kirche auch während Corona gelingt, Trost und Unterstützung zu geben. Ich glaube, dass sich da das Verhalten der Menschen geändert hat. Viele sind der Kirche positiv zugewandt, auch wenn sie nicht im Gottesdienst sind. Ein Beispiel ist die Sternsingeraktion, die schier unmöglich schien. Aber wenn man jetzt das Ergebnis sieht: In der Diözese Rottenburg wurden insgesamt rund 5 Millionen Euro gespendet. Das ist enorm.