Die fesche Lola
Wie aus der höheren Tochter Eliza Gilbert die Kunstfigur Lola Montez wurde
Lola – was für ein Name! Verrucht klingt das und in Kombination mit dem Nachnamen Montez wie eine exotische Verheißung. Die fesche Lola hat einst der halben Welt den Kopf verdreht und 1848 den bayerischen König Ludwig I. den Thron gekostet. Wer war diese Frau, die vor 200 Jahren in Irland geboren wurde? Ein durchtriebenes, geldgieriges Luder? Eine Hochstaplerin? Mätresse, Hure? Oder eine charmante, faszinierende Femme fatale und emanzipierte Künstlerin, erfolgreiche Theaterunternehmerin in den USA, Vortragsreisende in Australien? Sie war wohl alles zusammen. Das legt die Biografie von Marita Krauss über Lola Montez nahe.
Die an der Universität Augsburg lehrende Professorin für bayerische Landesgeschichte versucht in ihrer Biografie das Leben der Lola Montez alias Eliza Gilbert (1821-1861) von Übermalungen zu befreien und falsche Fährten aufzuspüren. „Ich habe dem starken Geschlecht überall den Fehdehandschuh hingeworfen“, heißt der Untertitel des Buches, ein Zitat aus der Autobiografie der Lola Montez. Und damit weist die Historikerin in eine Richtung, die männliche Montez-Biografen so nicht gesehen haben: Ein Leben als eine Geschichte der Emanzipation und des Ausbruchs aus dem Rollenmodell. Marita Krauss bettet das Leben der Montez in den Kontext der englischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ein. Sie sieht darin den Schlüssel zu einer Lebensgeschichte, die unter heutigen Bedingungen vielleicht eine übliche Karriere im Showbusiness wäre.
Die Montez hat ihr eigenes Leben vermarktet. Dichtung und Wahrheit sind kaum voneinander zu trennen. Selbst der akribischen Rechercheurin Krauss gelingt es nicht, jede Behauptung, jedes Gerücht über Lola Montez zu überprüfen. Diese Frau schien ein Medienprofi zu sein. Sie beherrschte das Geschäft mit dem Skandal perfekt. Und die Zeitungen wussten die Sensationsgier zu bedienen.
Geboren wird Elizabeth Rosanna Gilbert am 21. Februar 1821 als Tochter eines britischen Offiziers und einer irischen Modistin. Elizas Mutter war das illegitime Kind eines reichen Parlamentsabgeordneten, der mit einer kleinen Apanage und seinem Namen dafür sorgte, dass auch seine unehelichen Kinder ein standesgemäßes Leben führen konnten. Standesgemäß. Das ist in der Gesellschaft dieser Zeit wichtig und entscheidet über Wohl und Wehe eines Frauenlebens.
Elizas Mutter ist bei der Geburt ihrer Tochter gerade mal 15 Jahre alt, und 17, als ihr Mann auf dem Weg zu seinem Regiment in Indien an Cholera stirbt. Als Frau allein in Indien, bleibt ihr nichts anderes übrig, als nach einem neuen Mann Ausschau zu halten. Ihre Mittel hätten nicht mal ausgereicht, um nach England zurückzukehren.
1824 heiratet die Mutter einen schottischen Leutnant. Der Stiefvater ist gut zu dem Kind, mit fünf Jahren wird die kleine Eliza aber nach Hause geschickt, um eine gute Erziehung zu bekommen, Voraussetzung für eine standesgemäße Ehe.
Schon als Kind soll Elizas Temperament unangenehm aufgefallen sein. Sie gilt als ungezügelt. Klagen über Ungehorsam prägen ihre Schulkarriere im vornehmen Mädchenpensionat in Bath. Dies ist eine jener Anstalten, in der die Mädchen auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereitet werden sollen. „Für Frauen der Mittel- und Oberschicht gab es keine erstrebenswerte Alternative zur Heirat, nur als verheiratete Frau konnte man einen Platz in der Gesellschaft einnehmen. Darauf war die Mädchenausbildung ausgerichtet“, schreibt Marita Krauss. Sie zitiert die englische Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft, die Ehe als „legale Prostitution“bezeichnet. Englische Frauen seien so versklavt wie Haremsdamen.
Als Elizas Mutter aus Indien anreist, um ihre Tochter angemessen zu verheiraten, nimmt der Lebensweg Fahrt auf, in dem die höhere Tochter Eliza Gilbert zur skandalumwitterten Lebedame Lola Montez wird. Als Eliza erfährt, dass sie einen viel älteren Mann heiraten soll, brennt sie mit einem Offizier durch. Krauss schreibt: „Die Entführung und Verführung einer 16-Jährigen aus gutem Hause war eine Verfehlung, die im puritanischen England zur gesellschaftlichen Ächtung führen musste.
Eine nachfolgende Eheschließung konnte diese ,Schande’ nur bedingt bereinigen.“
Eliza geht mit ihrem Ehemann Thomas James nach Indien. Schon auf der monatelangen Fahrt entzweit sich das
Paar. Wo die beiden auftauchen, steht
Eliza im Mittelpunkt, ihre Schönheit betört die Männer und zieht den Neid der Frauen auf sich. Ein Muster, das sich als roter Faden durch ihr Leben zieht.
1843 wird die Ehe geschieden, schuldig geschieden. „Einer jungen Frau aus ihrer Gesellschaftsschicht blieben nun keine Möglichkeiten mehr, sich mit einer respektablen Tätigkeit selbst zu finanzieren. Sie stand mit dem Rücken zur Wand“, schreibt Krauss.
Und was macht Eliza Gilbert, geschiedene James? Sie erfindet sich neu. Sie nimmt Tanzunterricht, lernt spanische Tänze, reist für kurze Zeit nach Spanien und kehrt als Maria de
„Einer jungen Frau aus ihrer Gesellschaftsschicht blieben nun keine Möglichkeiten mehr, sich mit einer respektablen Tätigkeit selbst zu finanzieren. Sie stand mit dem Rücken zur Wand.“
los Dolores Porry y Montez 1843 nach London zurück. Was dann beginnt, ist unglaublich. Ihre Schönheit öffnet ihr Türen, lässt sie in die höchsten Kreise vordringen. Gönner mit guten Verbindungen zur Presse begleiten sie fortan. Aber ebenso wie sie diese Männer anzieht, verliert sie sie auch wieder. Als in London die Gerüchte über ihre wahre Identität nicht verstummen wollen, reist sie ab.
Dresden, Berlin, St. Petersburg. Warschau, Paris – überall eilt ihr der Ruf der geheimnisumwitterten Skandalnudel voraus. Und die Presse schmückt genussvoll ihre Auftritte aus. Eine Reitpeitsche, mit der sie einen Gendarmen gezüchtigt haben soll, weil der sie bei einer Parade nicht in den VIP-Bereich vorlassen wollte, wird zum Symbol der dominanten Frau. Doch der Vorfall, so hat Krauss herausgefunden, ist nicht zu beweisen. Wie so vieles. Auch der Vorwurf, sie habe als Prostituierte gearbeitet, bleibt ein Gerücht. „Es gab im Paris dieser Jahre viele gesellschaftlich akzeptierte Arrangements jenseits der Prostitution.“
Am bekanntesten wurde Lola Montez durch die beiden Jahre, die sie in München verbrachte. Am 5. Oktober 1846 traf sie ein, am 7. Oktober stand sie dem König in einer Privataudienz
Die Historikerin Marita Krauss über die junge Eliza Gilbert nach ihrer Scheidung von Thomas James
gegenüber. Ludwig I. soll der Schönen auf Anhieb verfallen sein. Die Staatsaffäre nimmt ihren Lauf. Marita Krauss konnte nun erstmals die Tagebücher von König Ludwig einsehen. Es war wohl nicht die übliche Beziehung zwischen Monarch und Mätresse, sondern eine, die zunächst auf gegenseitiger Zuneigung beruhte. Ludwig schrieb ihr Gedichte, besuchte sie täglich und gab ihr viel, viel Geld, in zwei Jahren 160 000 Gulden aus seinem Privatvermögen. „In Euro umgerechnet entspräche das einer Kaufkraft von 3,616 Millionen“, heißt es bei Krauss.
Doch Lolas Launen, ihre Günstlingswirtschaft und ihre Verschwendungssucht zerstörten das Vertrauen und die Liebe. Sie mischte sich in Staatsgeschäfte ein, intrigierte gegen Adel und Klerus. Eine grandiose Selbstüberschätzung. In ihrem Palais in der Barerstraße, das ihr Ludwig geschenkt hatte, hielt sie Hof wie eine Königin. Und wenn sie Zigarre rauchend mit ihren Hunden über die Briennerstraße stolzierte, erregte sie Aufsehen.
Lola Montez war nicht der Grund für die Revolution von 1848 in München. Aber ein Anlass für Bürger und Studenten, den Aufstand zu proben. Ludwig I. und seine Regierungen fürchteten die Revolution, aber sie erkannten die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen nicht. Und reagierten mit Repression. Nicht Lola Montez hat Ludwig den Thron gekostet, sondern sein konservatives Regiment.