„Er hat seine eigenen Gesetze“
Zeugen beschreiben den Angeklagten, dem viele Gewalttaten in Tuttlingen vorgeworfen werden
ROTTWEIL/TUTTLINGEN - Selbstjustiz hat für den 30-jährigen Tuttlinger, der sich derzeit unter anderem wegen versuchten Totschlags (wir berichteten) vor dem Landgericht Rottweil verantworten muss, offenbar zu einer Selbstverständlichkeit im Alltag gehört. Das wurde am dritten Verhandlungstag deutlich.
Zur Sprache kam ein Vorfall vom 24. September 2018: Nachdem der einschlägig Vorbestrafte tags zuvor bereits einen „Freund“beschuldigt hatte, eine Fensterscheibe in seiner Shishabar nahe Tuttlingen beschädigt zu haben, habe er ihn zu einem „Gespräch“am nächsten Tag zum Spielplatz Uhlandpark unweit der Neuhauser Straße „einbestellt“, so die Anklage. Gesprochen wurde dann aber nicht viel. Der 30-Jährige sei mit drei Begleitern angerückt. Sie hätten gleich begonnen, auf den Kontrahenten einzuprügeln.
Eine Anwohnerin wurde darauf aufmerksam. Normalerweise reagiere sie nicht auf Lärm, weil das öfter vorkomme, sagte sie als Zeugin vor Gericht. Aber in diesem Fall sei es anders gewesen. Sie sei zum Fenster gelaufen und habe gesehen, wie mehrere junge Männer mit Händen und Füßen auf einen anderen eingeschlagen
TRAUERANZEIGEN hätten. Es sei so schlimm gewesen, dass sie Angst bekommen und gerufen habe: „Hört auf, ihr bringt ihn ja um!“Die Täter hätten aber weitergemacht und dem wehrlos auf dem Boden liegenden Mann mit Fußtritten zugesetzt. Daraufhin sei ihr nur noch die Möglichkeit geblieben, die Polizei anzurufen.
Ein Beamter der Kriminalpolizei berichtete von einem anderen Vorfall. Da habe der Beschuldigte von der Treppe des Tuttlinger Landratsamts aus per Handy einen Zeugen zu beeinflussen versucht, der im gegenüberliegenden Amtsgericht aussagen sollte. Als er und ein Kollege gerufen worden seien, um das Handy zu beschlagnahmen, habe sie der Angeklagte süffisant lächelnd mit Ausdrücken wie Idioten, Vollidioten und ähnlichem beleidigt, erklärte der Polizist, der dann über seine langen Erfahrungen mit dem Mann berichtete: „Er hat seine eigenen Gesetze. Die verfolgt er, ohne Rücksicht auf die Folgen für andere. Die sind ihm völlig egal!“
Ein weiterer Kripobeamter, befragt vom psychiatrischen Gutachter nach dem Wesen des 30-Jährigen, berichtete ausführlich über seine vielen negativen Erfahrungen. Er charakterisierte ihn in Stichworten: „Gewalttätig, aggressiv, aufbrausend wie eine Furie, unbelehrbar!“
Einmal sei der junge Mann zum Beispiel im Polizeirevier aufgekreuzt, „hinter sich eine Entourage“, und habe die Beamten aufgefordert, einzugreifen, sonst würden sie das selbst erledigen. „Er war der Chef, er hatte das Sagen“, erklärte der sichtlich aufgewühlte Polizeibeamte. Der Angesprochene nahm alles schweigend hin. Sein Verteidiger nahm ihn am Schluss in Schutz: Das sei alles zu einseitig, rügte er. Die Polizei sei oft hart, manchmal auch „rechtswidrig“gegen seinen Mandanten vorgegangen, sagte er.
Der Prozess wird am 6. April fortgesetzt.