Gründlich gescheitert
An Ostern wird also wieder zugemacht. Radikaler als zuvor – und die meisten Wissenschaftler und Epidemiologen halten die Maßnahme für – Kanzlerin Angela Merkel lässt grüßen – alternativlos. Das mag richtig sein. Dennoch fällt es schwer, diesen Ruhetagen auch nur irgendetwas Positives abzugewinnen. Dieser nächste Lockdown ist vor allem deshalb so ärgerlich, weil er die Folge des fortwährenden Scheiterns der deutschen und europäischen Corona-Politik ist.
Denn noch einiger als beim Lockdown sind sich die Wissenschaftler darin, dass dem Coronavirus langfristig nur mittels Impfungen beizukommen ist. Während in den USA die Spritze im Supermarkt oder im Vorbeifahren abgeholt werden kann, haben es die EU und Deutschland nicht einmal geschafft, ausreichend Vakzin zu beschaffen. Dass der seltsamen Gemächlichkeit des Sommers nun hierzulande die übertriebene deutsche Gründlichkeit beim Impfen folgt, ist einfach nicht nachvollziehbar. So wird das ohnehin lahme Tempo der Impfkampagne weiter verschleppt. Es regiert die Bürokratie – und in der Folge bleibt der machtlose, ungeimpfte Bürger auch in Jahr zwei der Pandemie alleine zu Hause.
Um kurzfristig mal wieder am öffentlichen Leben teilnehmen zu können, müssten besagte Bürger – und erst recht die Schüler! – konsequent getestet werden. Doch die Regierungen waren bislang nicht im Stande, eine bundesweit funktionierende Schnellteststrategie auf die Beine zu stellen. Gleichzeitig wird dem Wahlvolk in Sachen Selbstdisziplin alles abverlangt, was die weitere Ausbreitung des mutierenden Virus bremst.
Natürlich ist die Vorsicht angesichts steigender Infektionszahlen nötig. Natürlich wird sich die vernünftige Mehrheit – frustriert – fügen. Doch wenn die Politik das verbliebene Restvertrauen nicht verspielen will, sollten die Ministerpräsidenten künftig nicht mehr stundenlang über Campingurlaube oder Mallorca-Flüge streiten, sondern dafür sorgen, dass konsequent geimpft und getestet wird. Sonst hocken die Deutschen auch an Weihnachten alleine unter der Tanne.
j.schlosser@schwaebische.de