Ein Beschluss und viele Fragen
Über Ostern soll das Leben in Deutschland weitgehend heruntergefahren werden – Details noch unklar
BERLIN/STUTTGART - Bis spät in die Nacht haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder über neue Corona-Maßnahmen beraten. Um drei Uhr stand nach 15-stündigen Gesprächen fest: Kanzlerin und Länderchefs nehmen Lockerungen zurück, versprechen aber mehr Tests und mehr Impfungen. Und über Ostern gelten zusätzliche Einschränkungen.
Oster-Lockdown:
Der allgemeine Lockdown in Deutschland soll bis zum 18. April verlängert werden. Zusätzlich sollen von Gründonnerstag bis einschließlich Ostermontag zusätzliche Regeln gelten. In diesem „Oster-Lockdown“wollen Bund und Länder den Gründonnerstag und den Karsamstag wie Feiertage behandeln. Das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben soll von Gründonnerstag bis Montag weitgehend ruhen. Nur wenige Ausnahmen für Lebensmitteleinkäufe werden möglich gemacht und Impf- und Testzentren sollen offen bleiben. „Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip: Wir bleiben zu Hause“, sagte Merkel nach den Beratungen mit den Länderchefs.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betonte am Dienstag in Stuttgart die Dringlichkeit der Situation. „Wir sind in einer der schwierigsten Phasen der Pandemie“, sagte er. Dennoch war zunächst nicht klar, wie die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels in Baden-Württemberg konkret umgesetzt werden, etwa welche Geschäfte am Gründonnerstag und am Karsamstag geschlossen bleiben müssen. „Es gibt noch viele komplexe rechtliche Fragen,“so Kretschmann. „Ich würde mir vorstellen, dass das ein den Feiertagen entsprechender Ruhetag ist.“
Impfen und Testen:
Noch immer nimmt die Impfkampagne kaum Fahrt auf, erst nach Ostern sollen Arztpraxen flächendeckend beteiligt werden. Am Montag wurden laut Statistik 222 589 Impfdosen verabreicht. Damit sind 3,4 Milliochend nen Menschen (4,1 Prozent der Bevölkerung) vollständig geimpft. Bund und Länder bleiben beim Impfen eher allgemein. Wiederholt wird, im Sommer jedem Bürger ein Impfangebot machen zu wollen. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagte, „Mitte Mai und im Juni werden wir eine hohe Geschwindigkeit beim Impfen haben“.
Bund und Länder dagegen wollen die Zeit zunächst mit Schnell- und Selbsttests überbrücken, die „tagesaktuell zusätzliche Sicherheit bei Kontakten geben“. Die Länder seien für die kostenlosen Tests, etwa in Testzentren, bei Ärzten oder in Apotheken, im März und April ausrei
versorgt. Unternehmen werden nicht gezwungen, Mitarbeiter, die nicht im Homeoffice sind, zu testen. Firmen sollten aber freiwillig „mindestens einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zweimal pro Woche“Tests anbieten.
Bayern will an allen bestehenden Testzentren eine zusätzliche Schnelltest-Strecke einrichten, wie Regierungschef Söder am Dienstag ankündigte.
Schulen und Kitas:
Auch für Schulen und Kitas haben Bund und Länder eine Absichtserklärung in Sachen Testen parat: „Baldmöglichst“sollten Schüler,
Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte zweimal in der Woche per Schnellbeziehungsweise Selbsttests getestet werden. Wie das konkret aussehen soll, regeln die Länder.
Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“strebt der Südwesten nach den Osterferien einen Schulbetrieb an wie in Österreich: Ziel sei es, jeder Lehrkraft und allen Schülerinnen und Schülern pro Woche zwei Tests an den Schulen anzubieten. „Fest steht: Wenn wir möglichst viel Präsenz ermöglichen wollen, brauchen wir eine hohe Teilnahmequote an den Tests“, erklärt eine Sprecherin von Ministerpräsident Kretschmann. Derzeit werde noch geprüft, wie Unterricht im Klassenzimmer an die Teilnahme an einem Test wie in Österreich geknüpft werden kann. Im Nachbarland müssen Schüler, deren Eltern oder die selbst solche regelmäßigen Tests ablehnen, von zu Hause aus lernen.
In Bayern sollen nach den Osterferien nur bei einem Inzidenzwert von unter 50 die Grundschulklassen in den Präsenzunterricht zurückkehren. Zwischen 50 und 100 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen einer Woche erfolgt für alle Jahrgänge Wechselunterricht. Bei einem Wert von über 100 gilt größtenteils Distanzunterricht.
Senioren- und Pflegeheime:
Vorsichtig zeigen sich Bund und Länder bei den Alten- und Pflegeeinrichtungen. Die erfolgten Impfungen seien ein Erfolg, trotzdem müssten Hygiene- und Testkonzepte weiterhin konsequent umgesetzt werden. Zwei Wochen nach der Zweitimpfung könnten die Besuchsmöglichkeiten in Häusern ohne Ausbruchsgeschehen erweitert werden und „wohnbereichsübergreifende Gruppenangebote“, also gemeinsame Sport- und Spielangebote, durchgeführt werden. Zwischen geimpften und ungeimpften Bewohnern soll nicht unterschieden werden. Die Stiftung Patientenschutz fordert dagegen mehr Öffnungen. „Lediglich Gruppenangebote und erweiterte Besuchsmöglichkeiten in Aussicht zu stellen, ist für viele Betroffene blanker Hohn“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Er begrüßte zwar, dass 90 Prozent der Bewohner geimpft seien. Trotzdem lebten viele mit strengen Kontaktbeschränkungen. „Für die Menschen in den Einrichtungen bringen die Impfungen keine Freiheitsrechte.“
Keine Impf-Vorteile:
Sonderrechte für Geimpfte soll es zunächst nicht geben. Die Bundesregierung will aber das RobertKoch-Institut beauftragen, bis 12. April einen Bericht vorzulegen, ob und ab wann Geimpfte „mit hinreichender“Sicherheit nicht mehr infektiös sind, sodass sie nicht mehr getestet werden müssen.
Zusätzliche Einschränkungen:
In Landkreisen, in denen die SiebenTage-Inzidenz den Wert von 100 übersteigt, sind zusätzliche Regeln geplant. So müssen haushaltsfremde Mitfahrer auch in privaten Autos eine Maske tragen, so wie das bisher schon grundsätzlich in Berlin, dem Saarland und in Sachsen gilt. Der ADAC hält das auch allgemein für ratsam. Außerdem können in diesen Gebieten Maßnahmen wie tagesaktuelle Schnelltests, wo Tragen einer Maske und Abstand nicht möglich sind, angeordnet werden, etwa bei Zahnärzten. Möglich sind zudem Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen.