Seele ist belastet, aber noch nicht krank
Belastet sind derzeit vor allem die Coronakranken und deren Angehörige – Und Isolierte
SPAICHINGEN/REGION - Anstieg der Suizide, drei mal mehr Einweisungen in die Psychiatrie? Was eine offenbar sehr verunsicherte Leserin unter anderem als Fakten annimmt, klingt alarmierend. Aber stimmt es auch? Bisher seien keine Studien bekannt, die belastbare Aussagen zum Zusammenhang von Covid 19 und psychischer Erkrankung machen würden, antwortet der Sprecher des psychiatrischen Vinzenz von Paul Hospitals (Rottenmünster) Rainer Pfautsch auf unsere Anfrage.
Auch zur Behauptung, die Patientenzahlen seien so eklatant gestiegen, gebe es keine belastbaren Daten. Allerdings beschäftigen sich Fachleute mit der Frage schon.
Die klinische Erfahrung der Chefärzte des psychiatrischen Zentrums Rottenmünster, so die Antwort des Sprechers, decke sich mit dem Bericht des Ärzteblatts vom 23. Oktober. Dieser Artikel bezieht sich unter anderem auf eine vorläufige Studie aus China, die beschreibt, dass stationär isolierte Coronapatienten drastisch höhere Angst- und Depressionswerte aufwiesen.
Auch Berichte über die Folgen von Quarantäne und Isolation aus Italien kämen zu einem ähnlichen Bild: Nahestehende Angehörige berichteten von posttraumatsichem Stress, Schlaflosigkeit, hohe Anspannung, Niedergeschlagenheit und Rückzug. Vor allem wenn der Angehörige
verstarb, verschlimmerte sich das. Wenig Kontakt führe auch zu Belastungen
bei älteren Menschen und Dementen, dies zeige eine Studie aus
Leipzig.
Auch Kinder- und Jugendliche zeigten Auffälligkeiten, höhere Stresswerte aber auch Frauen und Pflegekräfte sowie Ärzte, die mit dem Krankheitsgeschehen einerseits, der Überforderung andererseits und dem Auffangen von wegfallenden Kinderbetreuungen besonders belastet seien.
Zum behaupteten Anstieg der Suizide ist die Spurensuche schwierig, weil bei unnatürlichen Todesfällen, also solchen, bei denen der den Tod feststellenden Arzt die Ursache nicht sofort erkennen kann, alle subsumiert werden. Das sind also auch Unfälle oder nicht offensichtlich erklärliche medizinische Umstände. Suizide würden nicht gesondert erfasst, so ein Sprecher der Polizei auf unsere Anfrage. Aber nach dem Empfinden der Beamten, mit aller Vorsicht, sei derzeit kein auffälliger Anstieg an Suiziden zu beobachten.