Blühende Schönheit ohne Besucher
Testzentrum, Gärtnerverleih, Pflanzenverkauf – Bettina Gräfin Bernadotte sucht für die Insel Mainau Wege aus der Pandemie
Donnerstag, 1. April 2021 3000 Orchideen blühen derzeit auf der Insel Mainau. Bettina Gräfin Bernadotte und Gartendirektor Markus Zeller dürfen aber noch keine Besucher auf der Insel begrüßen.
KONSTANZ
- Es könnte nicht idyllischer sein: Die Sonne lacht, die Vögel zwitschern, in einem kleinen Teich auf der Blumeninsel hüpft gerade ein Frosch ins Wasser. Nur im Gewächshaus herrscht Hektik. Gartenbauingenieurin Britta Langer packt die jungen Pflänzchen auf die Wagen für den Park. Es wird gepflanzt, was das Zeug hält. Doch wenn sie daran denkt, dass die ganze Arbeit umsonst sein könnte und vielleicht kein einziger Gast die schönen Frühblüher zu Gesicht bekommt, ist ihr Lächeln sofort verschwunden.
Allein im Herbst wurden 700 000 Pflanzen eingesetzt. „Vor allem Zwiebeln natürlich. Tulpen, Narzissen und Co.“, erklärt Gartendirektor Zeller. „Alles hat sich toll entwickelt.“Was nach Natur pur aussieht, ist in Wirklichkeit ein fein ausgeklügeltes Konzept und wird bereits mit einem Jahr Vorlauf geplant, so Zeller. „Da steckt viel konzeptionelle Arbeit dahinter.“Schließlich soll das ganze Frühjahr hindurch immer etwas in den Beeten blühen. „Wir planen jetzt schon für 2022.“
Doch für diese Saison wurde in den Beeten nicht viel verändert. Warum auch? Schließlich war die Insel im ersten Corona-Lockdown im vergangenen Jahr bis in den Mai gesperrt. Dabei war Ostern 2020 eigentlich perfekt. „Schönstes Wetter, alles hat geblüht. Wir waren alle richtig traurig, dass niemand die Insel sehen durfte“, sagt Bettina Gräfin Bernadotte, seit 2007 Geschäftsführerin der Mainau GmbH. Ob in diesem Jahr jemand die Frühblüher und die 3000 Orchideen im Palmenhaus zu Gesicht bekommt, ist auch noch nicht klar. Öffnungsperspektive? Fehlanzeige nach den letzten Beschlüssen der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU). Zuletzt war von Mai die Rede, doch die Inselchefin will nicht recht daran glauben. Nur Tagungen sind derzeit auf der Insel möglich.
Schon im vergangenen Jahr kamen trotz einer sehr guten Sommersaison nur 700 000 Gäste auf die Mainau – das bedeutet eine halbe Million weniger Besucher als im Vorjahr. Vor allem in der Gastronomie, die noch länger als der Park geschlossen blieb, waren die Einbußen hoch. Das Tagungs- und Veranstaltungsgeschäft, das die Mainau GmbH in den vergangenen Jahren aufgebaut hatte, brach ein. Busausflügler und Hochzeitsgesellschaften, die sonst im Palmenhaus bis in die Nacht feiern, konnten ebenfalls nicht kommen. Unterm Strich hat die Mainau vor Steuern und Abgaben ein Minus von zwei Millionen Euro erwirtschaftet und damit fast acht Millionen Euro weniger als im Vorjahr eingenommen, sagt die Gräfin. „Die Pandemie trifft uns ganz schön hart. Alle Bereiche sind in Kurzarbeit.“Bis zu 400 Mitarbeiter sind normalerweise in einer guten Saison im Sommer auf der Insel beschäftigt. Dieses Jahr werden es deutlich weniger sein.
Ausbremsen lassen will sich die Gräfin jedoch nicht. Bereits im Vorjahr wurden die Besucherströme durch ein spezielles Ticketing-System gelenkt. Auf den Gehwegen sind immer wieder Abstandslinien von 1,50 Meter eingezeichnet. In dieser Saison soll auf dem Parkplatz vor der Insel ein Testzentrum entstehen. Zugang gibt es dann nur mit negativem Testergebnis. Die Modellstadt Tübingen lässt grüßen. Dort testen Stadt und Land bekanntlich, ob sich Inzidenzwerte im Griff halten lassen, wenn man Besucher der Innenstadt vorab testet und Geschäfte sowie Wirtshäuser Kunden empfangen dürfen.
Ob das Projekt weiterlaufen darf, ist aber angesichts steigender CoronaZahlen in Tübingen fraglich.
„Die Mainau will unbedingt öffnen“, sagt die Gräfin. Dafür hat die GmbH ein eigenes Pilotprojekt beim Land und Landkreis eingereicht. „Die Leute müssen raus. Das ist fürs Gemüt ganz wichtig“, glaubt die Gräfin. In einer stark besuchten Region wie der Bodenseeregion müsse der Betrieb kontrolliert ablaufen. Durch das Testen könnten Infektionen aufgedeckt und eine weitere Ausbreitung des Virus verhindert werden. „Der Wille, mit der Pandemie eine neue Normalität zu erreichen, ist groß, und ich finde es gut, nicht in der Starre zu verharren, sondern mit der Pandemie leben zu lernen. Und das heißt eben testen“, sagt die Inselchefin. Auch die Mitarbeiter bekommen Tests angeboten. Wer nicht im Park oder in der Gärtnerei arbeitet, ist ohnehin im Homeoffice.
Auf der anderen Bodenseeseite sieht man das genauso. Gleich mit 23 Gemeinden hat sich der Bodenseekreis als Modellregion für das Tübinger Modell beworben, teilt Ute Stegmann, Geschäftsführerin Deutsche Bodensee Tourismus GmbH in Friedrichshafen, auf Anfrage mit. Unter den Kommunen sind auch Friedrichshafen, Meersburg, Überlingen und Salem. Die Stadt Konstanz plant ebenfalls ein entsprechendes Modellprojekt. Schon jetzt werden kostenlose Bürgertests angeboten. Die Gemeinden berufen sich bei ihren Plänen auf eine Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Es ist keinem Oberbürgermeister und keinem Landrat verwehrt, das zu tun, was in Tübingen und Rostock getan wird. Alle können das machen und der Bund wird immer unterstützend tätig sein.“Doch noch ist offen, wie eine solche Unterstützung aussehen kann, ob Geld fließt und ob die Landesregierung von Baden-Württemberg weitere Modellprojekte überhaupt zulässt. Landesweit haben Gemeinden Interesse bekundet. Angesichts der rollenden dritten Infektionswelle sagte ein Sprecher des Stuttgarter Gesundheitsministeriums am Mittwoch, man wolle zunächst keine weiteren Modellprojekte.
Der baden-württembergische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga begrüßt regionale Initiativen, die sich mit einer verantwortungsvollen Öffnung der Gastronomie und touristischen Betriebe beschäftigen. Wichtig sei jedoch, dass die Öffnung längerfristig ist, sagt Verbandspressesprecher Daniel Ohl. „Wir wollen nicht gleich drei Wochen später wieder zumachen. Das würde den Schaden nur vergrößern. Die Lage ist sehr ernst“, sagt Ohl. Seit März letzten Jahres habe die Branche von 15,5 Milliarden Euro Umsatz gut sieben Milliarden verloren. Die Novemberund Dezemberhilfen seien zwar mittlerweile größtenteils angekommen, aber die Überbrückungshilfen des Bundes für die Monate Januar und Februar würden nicht annähernd an die Höhe dieser Hilfen herankommen. Laut einer Umfrage vom März dieses Jahres würde sich von 1800 befragten Betrieben bereits ein Viertel konkret mit der Schließung beschäftigen. 70 Prozent sehen die Existenz ihres Betriebs gefährdet. Anders als bei früheren Krisen seien auch die Leistungsträger betroffen.
Baden-Württembergs Tourismusminister Guido Wolf (CDU) hat Verständnis für die Nöte. Viel Hoffnung kann er den Verantwortlichen aber aktuell nicht machen. „Die rasant gestiegenen Infektionszahlen sind Grund zur Sorge. So schwer es mir fällt, es wäre unseriös, jetzt unter diesen Bedingungen breite Öffnungen im Tourismusbereich in Aussicht zu stellen.“Wolf wünscht sich jedoch auch, dass es rasch sinnvolle Strategien für vorsichtige Öffnungen gibt: „Es ist wichtig, dass massenhafte Tests, Modellversuche und smarte Kontaktnachverfolgungen jetzt konzentriert angegangen und vorbereitet werden, damit wir die Zeit bis Pfingsten in den Blick nehmen können.“
Das wird Gastwirte und Hoteliers wenig trösten. Denn der starke Sommer 2020 konnte auch in der Tourismusbranche die Einbrüche des ersten Lockdown nicht kompensieren. „Es gibt sicherlich Betriebe, die nicht mehr lange so weitermachen können“, so BodenseeTouristikerin Stegmann. Die Ostersaison wäre jetzt für die ganze Branche am Bodensee wichtig gewesen, vor allem, weil die Unternehmen auch im Geschäftsreisetourismus auf längere Sicht mit geringeren Umsätzen rechnen müssten, so Stegmann. Der Tourismusverband wünsche sich daher, dass schnellstmöglich erste Lockerungen machbar sind und die Betriebe in der Region eine Perspektive bekommen. Zwischen den Osterferien und den Pfingstferien könne man mit der Teststrategie Erfahrungen sammeln und Schritt für Schritt öffnen. Auch auf der Mainau wird eifrig geplant.
Schwäbische Zeitung
Obwohl die Insel geschlossen ist, gibt es in der Gärtnerei derzeit viel zu tun. Gartenbauingenieurin Britta Langer packt die jungen Pflänzchen auf die Wagen.
„Wir haben viele neue Ideen“, sagt Bettina Gräfin Bernadotte. Noch ist nichts beschlossen, aber wenn die Gäste schon nicht gemütlich einkehren und sich mit Schnitzel und Pommes stärken dürfen, könnte man ihnen vielleicht Blumen verkaufen, ähnlich wie ein Pflanzencenter. Sogar ihre Landschaftsgärtner würde die Gräfin an Privatleute vermieten. Die Gärtner könnten dann gebucht werden und die Konstanzer Vorgärten pflegen und gestalten. „Das ist immer noch besser, als nichts zu tun zu haben“, so die Gräfin. Die Nachfrage wäre sicher da. Denn in der Pandemie machen es sich die Menschen nicht nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch im Garten richtig schön. Schließlich will man den Urlaub zu Hause wenigstens ein bisschen genießen. ●