Dividende trotz Kurzarbeitergeld
Autokonzern Daimler erfährt massive Kritik für höhere Gewinnausschüttung in der Krise
FRANKFURT
- „Moralisch verwerflich“oder „ignorant für die gesellschaftliche Stimmung“– diese Kritik musste die Daimler-Führung am Mittwoch über sich ergehen lassen. Im Falle des Vorwurfes der Ignoranz handelt es sich um Kritik von Eigentümern des Unternehmens selbst, die sich unter dem „Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre“zusammengefunden haben.
Stein des Anstoßes bildet für sie die auf der Hauptversammlung beschlossene Dividende für DaimlerAktionäre in Höhe von 1,35 Euro. Sie liegt 50 Prozent über der des Vorjahres und läppert sich so zu einem stattlichen Betrag von 1,4 Milliarden Euro zusammen. Zugleich haben die Spezialisten der Finanzabteilung des Konzerns in Stuttgart ausgerechnet, dass der Autobauer durch Kurzarbeitergeld rund 700 Millionen Euro in der Krise gespart hat. „Daimler schickte zeitweise bis zu 80 Prozent der 170 000 Mitarbeiter in Kurzarbeit, strich Tausende Stellen und forderte großzügige Subventionsprogramme“, sagte Lena Blanken von der Bürgerbewegung Finanzwende. „Am Ende steht ein Minus für die Beschäftigten und die Steuerzahler, aber ein Plus für die Aktionäre – das kann man niemandem erklären.“
In der Tat fährt der Autobauer ein rigides Sparprogramm, um seine Kosten zu senken. Das ist Teil der Erklärung des gewinnreichen Geschäftes im vergangenen Jahr. Zugleich forderte Daimler – wie die übrigen Lobbyvertreter der Branche auch – großzügige Subventionsprogramme wie eine Neuauflage der Abwrackprämie, um die Autoverkäufe anzukurbeln.
Das kritisierte auch die Umweltschutzorganisation BUND. Neben Mehrwertsteuersenkung und Kurzarbeitergeld hätten hierzulande vor allem die Kaufbeihilfen für Plug-inHybride und Elektroautos Wirkung gezeigt: „Die höhere Dividende für die Aktionäre wurde wesentlich von der Belegschaft und den Steuerzahlenden mitfinanziert“, kritisierte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg, der auch Mitglied des Vorstandes der Kritischen Aktionäre ist.
Das sehen die Verantwortlichen im Konzern naturgemäß anders. Der scheidende Aufsichtsratschef Manfred Bischoff sagte, bei Daimler sei eine 40-prozentige Ausschüttung des Nettogewinns üblich. In der Tat liefen die Geschäfte bei Daimler angesichts
Das Kurzarbeitergeld sieht der Daimlerkonzern als Versicherungsleistung aus der Arbeitslosengeldkasse – Laut Daimler-Chef Ola Källenius habe man in den vergangenen Jahren viel Geld in diese Kasse eingezahlt. Kritiker kreiden Daimler an, einerseits Kurzarbeitergeld zu beziehen und andererseits satte Dividenden auszuzahlen. ● der Krise und eines Rückgangs der Autoverkäufe glänzend: Der den Aktionären zurechenbare Gewinn stieg unter dem Strich auf 3,6 Milliarden Euro und lag um 50 Prozent über dem schwachen Vorjahreswert.
Auch ins neue Jahr ist Daimler gut gestartet. Absatz und Umsatz bei Autos und Vans sollen trotz Lieferproblemen bei Elektronikchips in der Autobranche über dem Niveau des Vorjahresquartals liegen. Bei der Transformation in Richtung Elektromobilität will Daimler aufs Gas treten: „Wir wollen die Elektrifizierung unseres Produktportfolios beschleunigen“, kündigte Konzernchef Ola Källenius an. Vor zwei Jahren hatten die Stuttgarter das Ziel ausgegeben, eine CO2-neutrale Pkw-Neuwagenflotte bis 2039 erreichen zu wollen. Einen konkreten neuen Zeitrahmen oder Absatzziele auf dem Weg dahin nannte Källenius am Mittwoch nicht.
Jedenfalls ist der in 2020 realisierte Konzerngewinn von 3,6 Milliarden Euro die rationale Grundlage der ebenfalls um 50 Prozent gestiegenen Dividende. „Die Unterstellung, dass die Dividende ausbezahlt würde aus Steuergeldern, die wir als Subventionen in der Krise erhalten haben, ist schlicht und einfach falsch“, sagte Bischoff vor der formellen Dividendenabstimmung.
Der Konzern verweist seit Längerem darauf, dass es sich beim Kurzarbeitergeld um eine Versicherungsleistung aus der Arbeitslosenkasse handelt. Daimler-Chef Ola Källenius hatte in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass sein Konzern in den vergangenen Jahren viel Geld in diese Kasse eingezahlt habe. Tatsächlich tragen diese Sozialabgaben Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils zur Hälfte. Das Kurzarbeitergeld bietet dann in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine mögliche Überbrückungshilfe, um Kündigungen zu vermeiden und die Beschäftigten in den Betrieben zu halten.
Allerdings gehört zur ganzen Wahrheit auch, dass das Geld der Bundesagentur im vergangenen Jahr bei Weitem nicht ausgereicht hat: Ihre Ausgaben lagen 2020 bei 61 Milliarden Euro – ein neuer Rekordwert. Der Großteil konnte durch Einnahmen und Rückstellungen ausgeglichen werden. Doch weil dieses Geld nicht reichte, musste der Bund rund sieben Milliarden Euro zuschießen – aus Steuergeldern.