Das Gelbe vom Ei kommt ins Likörchen
Er gilt als verstaubt und spießig, als Gesöff ältlicher Damenrunden und als Absacker bei Kaffeekränzchen: der Eierlikör. Dabei ist die cremige Emulsion aus dem Gelben vom Ei und Alkohol sowie Zucker eine delikate Angelegenheit, wenn die Zutaten exzellent sind und die Verarbeitung sauber.
Das Schöne daran: Die Zutatenliste ist sehr kurz und überaus einfach. Auf acht Eidotter (Größe M) kommen 250 Gramm Puderzucker, 250 Gramm Schnaps und 250 Gramm Sahne oder Kondensmilch oder normale Milch. Qualität und Frische der Eier sind dabei von größter Bedeutung. Denn das Ergebnis hängt in hohem Maße von diesen beiden Faktoren ab.
Eine ebenso wichtige Komponente ist der Alkohol. In den meisten Rezepten wird Korn oder weißer Rum empfohlen, weil diese Spirituosen keinen dominanten Eigengeschmack
mitbringen. Doch das ist eigentlich schade. Denn einen individuellen Charakter gewinnt der ganz persönliche Eierlikör, wenn Sie einen regionalen Obstbrand verwenden. Gut eignet sich zum Beispiel Kirschwasser – im konkreten Fall das Wässerchen vom Obsthof Schöngarten in Lindau von der Familie Büchele – dessen knackige Frucht einem Eierlikör eine erfrischende Facette verleihen kann. Himbeergeist entfaltet ebenfalls spritzige Akzente. Ob Zusätze wie Vanille oder Zimt eine gute Wahl sind, muss jeder für sich selbst entscheiden. Generell ist Eierlikör ein Getränk, das dank des Zuckers viel verzeiht und auch genießbar bleibt, wenn man Experimente wagt. Bei der Zubereitung gibt es grundsätzlich zwei Wege. Der sehr einfache geht so: Alle Zutaten in einen Standmixer füllen und auf höchster Stufe zwei Minuten mixen. Fertig. Die Emulsion
Von Erich Nyffenegger
durch ein feines Sieb gießen und mittels Trichter in eine mit heißem Wasser gespülte Flasche füllen. Der Nachteil dieser Methode: Der Likör ist nur eine Woche im Kühlschrank haltbar. Für empfindliche Menschen ist die zweite Zubereitungsart besser geeignet, weil dabei durch Erhitzen Keime oder Salmonellen keine Chance haben.
Geben Sie alle Zutaten in eine Rührschüssel und schlagen Sie die Masse kurz auf. Nun geben sie die Schüssel auf einen Topf mit siedendem, aber nicht kochendem Wasser und rühren weiter. Wichtig: Ohne Küchenthermometer, die es ab fünf Euro im Supermarkt gibt, geht es nicht. Denn die Masse muss acht Minuten über dem Wasserbad in einem engen Temperaturkorridor von 65 bis 75 Grad gehalten werden. Auf keinen Fall über 80 Grad hochheizen – denn dann gerinnt die Masse und man erhält eine Art hochprozentiges Rührei in der Schüssel. Geht alles gut, dann wird der Likör jetzt cremigdicklich und sicherheitshalber von Keimen befreit, sollten denn welche vorhanden gewesen sein. Der Eierlikör hält sich bei diese Zubereitungsart vier Wochen im Kühlschrank.
Ob Sie nun Sahne, gesüßte Kondensmilch oder Vollmilch verwenden, hängt vom persönlichen Geschmack ab. Die Konsistenz ist bei der Methode mit dem Erhitzen wesentlich dicker. Für die Mixmethode ohne Erhitzen gilt, dass die Textur mit Kondensmilch und Sahne etwas cremiger wird als mit Milch. Allerdings bleibt der Eierlikör grundsätzlich immer dünner, weil die Eidotter ohne Hitze die Masse nicht binden. Auch hier gilt: Am besten mittels Probieren an das Ergebnis herantasten, das den eigenen Vorlieben am ehesten entspricht.
Zu Ostern noch ein Tipp für ein beschwipstes Häschen: Beißen Sie einem kleinen Schokohasen die Ohren ab und füllen Sie ihn mit selbstgemachtem Eierlikör – und dann Prost! Fröhliche Ostertage!
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