Repressalien gegen Nawalny-Unterstützer
Menschenrechtler berichten von Folter – Stiftungen des Oppositionellen sollen verboten werden
MOSKAU - In Moskau hat der Verbotsprozess gegen die Stiftungen und Unterstützerorganisationen des Regimekritikers Alexei Nawalny begonnen. Die Repressalien gegen seine Mitstreiter und Sympathisanten sind aber schon längst im vollen Gange.
Xenia Seredkina wurde Freitagnacht, um halb drei, abgeholt, von Unbekannten in Zivil. Das berichtet die Koordinatorin des Regionalstabes Alexei Nawalnys in Rostow am Don. Man habe sie aufs Land gefahren und gefoltert. „Sie wollten mich zwingen, einen Gummiknüppel zu schlucken, ich lehnte ab, für jede Weigerung schnitten sie mir in den Arm. Es sind viele Schnitte geworden“, schrieb die junge Frau auf Twitter. Dort veröffentlichte sie auch die Narben auf ihrem Arm: Zweimal N wie Nawalny.
Am Montag begann in Moskau der Prozess gegen die Stiftungen und Regionalstäbe des inhaftierten Oppositionsführers Nawalny. Die Staatsanwaltschaft fordert, die Tätigkeit seiner Antikorruptions-Stiftung FBK, seine Bürgerrechts-Stiftung FSPG sowie seine politischen Stäbe als extremistisch zu verbieten. Nach Ansicht der Anklagebehörde versuchen Nawalnys Strukturen die russische Verfassungsordnung zu stürzen. Gestern untersagten Gericht und Staatsanwaltschaft für die Dauer des Verfahrens alle weiteren Tätigkeiten der Nawalny-Organisationen. Es gilt als sicher, dass das Urteil die Forderungen der Staatsanwaltschaft bestätigen wird. Und schon jetzt hagelt es Repressalien gegen die Mitarbeiter der 37 Regionalstäbe Nawalnys, aber auch gegen liberale Politiker, Menschenrechtler und Bürger, die Nawalny unterstützen.
„Bei uns herrscht Kriegszustand“, teilte ein Mitarbeiter des NawalnyStabs im westsibirischen Kurgan der „Schwäbischen Zeitung“mit. Dort wurden vergangene Woche die Aktivisten Alexander Schwarz und die Aktivistin Sofia Lopatina festgenommen. Sie müssen 30 und 40 Tage Arrest absitzen, wegen mutmaßlichem Widerstand gegen die Staatsgewalt und Organisation nicht genehmigter Proteste. Lopatina ist aus Protest in den Hungerstreik getreten, Schwarz droht ein Strafverfahren wegen angeblichen Verstoßes gegen das Briefgeheimnis. Auch
Jekaterina Ostapenko, Koordinatorin in Wladiwostok, droht ein Prozess, sie soll Minderjährige zum Demonstrieren angestiftet haben. Es erwischte auch andere Nawalny-Aktivisten, außerdem Sergei Dawidis von der Menschenrechtsgruppe Memorial, den Bürgerrechtler Michail Swetow, drei Libertaristen, die mit einem Spruchband gegen seine Festnahme protestiert hatten, eine Journalistin, die darüber berichten wollte. Laut dem Rechtsschutzportal ovd.info wurden seit dem vergangenen Mittwoch über 200 Aktivisten oder Sympathisanten Nawalnys festgenommen.
Der Menschenrechtler Lew Ponomarjow befürchtet, die Verfolgung der Nawalny-Bewegung sei nur der Anfang. „Der Sicherheitsdienst FSBs greift jetzt die gesamte Zivilgesellschaft Russlands an. In Russland entsteht ein profaschistisches Regime.“Dagegen forderte Anton Krassowski, Journalist des Staatssender Russia Today, auf YouTube Petersburger Nawalny-Unterstützer auf, sie sollten sich freuen, dass Wladimir Putin an der Macht sei. „Und kein Schweinehund wie ich. Ich würde euch alle festbinden und im Moika-Fluss versenken.“