Seit 52 Monaten auf der Flucht
Autofahrer verursachte 2016 tödlichen Unfall bei Tuningen und tauchte vor Gerichtsverhandlung unter
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (sbo) - Er raste in den Gegenverkehr, tötete dabei zwei Menschen und flüchtete kurz vor der Gerichtsverhandlung: Noch immer ungesühnt bleibt ein tödlicher Verkehrsunfall vor fünf Jahren. Droht dem Fall nun die Verjährung?
Es ist der 8. Dezember 2016. Im Saal 1 des Amtsgerichts VillingenSchwenningen warten Richter, Gutachter, Zeugen Verteidiger und Staatsanwalt auf einen damals 44Jährigen, der unter anderem wegen fahrlässiger Tötung angeklagt ist. Doch vergebens. Ein eilig an die damalige Wohnadresse des Mannes beorderter Streifenwagen bestätigt die Befürchtung: Der Mann, der im April 2016 einen Verkehrsunfall mit zwei Toten verursacht hat, ist geflüchtet.
Die B 523 zwischen Schwenningen und Tuningen war am 16. April 2016 Schauplatz eines schrecklichen Verkehrsunfalls – dessen Aufklärung bis heute aussteht. Klar ist: Der damals 44-Jährige saß am Steuer eines VW, als er auf seinem Weg in Richtung VS in den Gegenverkehr gerät. Dort kracht er mit enormer Wucht in einen entgegenkommenden Seat aus dem Ortenaukreis. Die 58-jährige Fahrerin ist sofort tot, eine 61-jährige Mitfahrerin stirbt eine Woche später im Klinikum. Im völlig zerstörten Wagen überlebt lediglich eine 63Jährige.
Der Unfallverursacher wird bei dem schrecklichen Crash in seinem Wagen eingeklemmt und kommt nach der Rettung durch die Feuerwehr mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Klinikum. Dank der Rettungskräfte und der Ärzte überlebt er den Verkehrsunfall.
Verstörend: Kurz nach dem Unfall
ANZEIGE melden sich Zeugen, die von einer halsbrecherischen Fahrt des Mannes berichten. So soll der 44-Jährige kurz vor dem Zusammenstoß mehrfach riskant überholt haben – offenbar immer nur dann, wenn Gegenverkehr kam. Hat er den Unfall sogar provoziert? Eine Frage, die bis heute nicht geklärt ist.
Stück für Stück konnte sich der Mann von seinen schweren Verletzungen erholen, nahm auch die Termine mit seinem Verteidiger wahr. Dieser hat kurz vor der Verhandlung am 8. Dezember 2019 noch Kontakt mit ihm. Doch: Das war offenbar das letzte Lebenszeichen des heute 49Jährigen. Denn bevor es zur juristischen Aufarbeitung des schrecklichen Verkehrsunfalls kommt, ergreift der Mann die Flucht. Seine Havanna-Bar, die er in der Tuttlinger Innenstadt betrieb, öffnete er nicht mehr.
Stattdessen ergaben Recherchen des Schwarzwälder Boten damals, dass sich der Angeklagte in seine Heimat nach Kuba abgesetzt haben soll. Darauf deuten auch Informationen der internationalen kriminalpolizeilichen Organisation Interpol. Dorthin pflegte er weiterhin Kontakte. Und genau diese Flucht in die Heimat sorgt offenbar dafür, dass der 49Jährige nicht mehr greifbar ist für die deutsche Justiz.
Denn ein Rechtshilfeabkommen mit dem Inselstaat, das eine mögliche Auslieferung regeln würde, gibt es nicht. Den deutschen Behörden bleibt nur also abzuwarten, ob der Geflüchtete bei einer zufälligen Kontrolle außerhalb von Kuba oder einem Grenzübertritt auffällt und der internationale Haftbefehl dann vollstreckt werden kann.
Doch: Tickt für die deutschen Behörden die Uhr, weil schon bald eine Verjährung und damit die Straffreiheit droht? Denn die angeklagte fahrlässige Tötung verjährt schon nach fünf Jahren – was angesichts des Unfalls am 16. April 2016 bereits geschehen sein dürfte. Beim zuständigen
Amtsgericht Villingen-Schwenningen erklärt der Pressereferent und stellvertretende Vorsitzende Richter Bernhard Lipp, dass das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt wurde. Diese hänge mit dem Paragrafen 205 der Strafprozessordnung zusammen.
Denn: „Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluss vorläufig einstellen.“
Das heiße aber noch lange nicht, dass der 49-Jährige bereits jetzt straffrei davonkomme, betont der Pressesprecher. Zwar beträgt die Verjährungsfrist für diesen Fall tatsächlich fünf Jahre, wie Lipp erklärt, doch diese werde beispielsweise durch richterliche Anordnungen immer wieder unterbrochen.
Dies sei beispielsweise bei einer Neuterminierung der Hauptverhandlung der Fall. Da der Prozess nach dem ersten Fernbleiben des Unfallverursachers zunächst auf den 12. Januar 2017 gelegt wurde, würde eine Verjährung erst im Januar 2022 eintreten. Doch auch das ist hier nicht der Fall. „Denn regelmäßig ausgeschriebene Fahndungen unterbrechen die Verjährung ebenfalls“, erklärt der Richter. Da die Fahndung nach dem 49-Jährigen jährlich erneuert werde, drohe keine baldige Verjährung.
Allerdings gibt es hierbei Grenzen. Lipp: „Die Verjährungsfrist endet hier spätestens zehn Jahre nach dem Ereignis.“Spätestens am 16. April 2026 werde die Akte demnach geschlossen. Dann gäbe es keine Hoffnung mehr, dass der Tod zweier Menschen auf der B 523 gesühnt wird.