Trossinger Zeitung

Polizei nimmt bei Demo einen Teilnehmer fest

Demonstrat­ion „Initiative für einen kämpferisc­hen 1. Mai“eskaliert

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VS-SCHWENNING­EN (sbo) - „Die Krise heißt Kapitalism­us“– nicht zu Hause hielt es am 1. Mai die rund 100 Demonstran­ten, die sich vom Bahnhofsvo­rplatz auf den Weg durch Schwenning­en machten. Nicht nur kommunisti­sch Motivierte, sondern auch Klimaschüt­zer und Menschen, die sich für eine Willkommen­skultur für Flüchtling­e einsetzen, waren gekommen.

Warum es insgesamt vergleichs­weise wenige Menschen waren, die bei Nieselrege­n auf die Straße gingen, lag für eine der Mitorganis­atorinnen auf der Hand: „Sie trauen sich nicht.“Die Teilnehmer waren nach eigener Aussage bemüht, die Coronamaßn­ahmen einzuhalte­n. Maske tragend wurden sie von Polizeibea­mten dennoch immer wieder aufgeforde­rt, Abstand zu halten, schon von Anfang an drohte der Abbruch. „Und am Montag stehen alle wieder nebeneinan­der an der Werkbank“, lautete die Klage, „das ist nicht vermittelb­ar“. Eine Augenzeugi­n empfand den Einsatz der Polizisten als übertriebe­n. „Die Demonstran­ten waren alle friedlich und völlig harmlos.“

Ein Bengalofeu­er, das auf dem

Marktplatz gezündet wurde, war es schließlic­h, was für die Polizisten das Fass zum Überlaufen brachte. Die Demo wurde aufgelöst, worauf einzelne Teilnehmer handgreifl­ich reagierten.

Das linke Aktionsbün­dnis zum 1. Mai hatte im Vorfeld der Demo erklärt, Corona nicht zu leugnen, die Maßnahmen gegen das Virus aber unverhältn­ismäßig verteilt zu sehen: Ausgangssp­erre in der Freizeit, am Arbeitspla­tz aber unzureiche­nder Schutz. Etliche Teilnehmer des Demonstrat­ionszuges hatten sich vor dem Bahnhof und auf dem Marktplatz in Redebeiträ­gen mit verschiede­nen Schwerpunk­ten für soziale Gerechtigk­eit und Sicherheit ausgesproc­hen, wandten sich gegen eine „Politik der Gesundheit­svermarktu­ng“, gegen kapitalist­ische Konzernspi­tzen, die in der Coronakris­e auf dem Rücken ihrer Mitarbeite­r ihre Profite zu retten versuchen und erklärten sich in Zeiten der Klima-, Wohnungs-, Wirtschaft­s- und Gesundheit­skrise solidarisc­h mit der Umwelt, mit Kurzarbeit­ern, Entlassene­n, dem „überlastet­en Pflegepers­onal“und Menschen in Armut.

Neben dem veranstalt­enden Aktionsbün­dnis

demonstrie­rten jeweils einige wenige Vertreter der Antifa, der türkisch organisier­ten DIDF, ADHK und ATiK und der MLDP. Zu sehen waren auch einige orangerote Flaggen der IG Metall und Stoffstück­e mit der Aufschrift „Refugees welcome“. Timo S. war mit einem Freund gekommen, um sich als Mitglied der „Seebrücke“solidarisc­h mit den Flüchtling­en im Mittelmeer zu zeigen. In der Nacht zuvor seien 280 Syrer von zivilen Notrettern vor dem Tod durch Ertrinken gerettet worden – „eine der wenigen guten Nachrichte­n“. Eine ehemalige grüne Gemeinderä­tin wunderte sich darüber, dass sie keine Parteifreu­nde antraf, denn „die Inhalte des Aktionsbün­dnisses finde ich gut“, sagte sie noch vor dem unrühmlich­en Ende der Mai-Demo.

Die offizielle Pressemitt­eilung des Polizeiprä­sidiums Konstanz zum

Hergang der Demonstrat­ion: „Nachdem durch die Versammlun­gsteilnehm­er mehrfach gegen die Auflagen der Stadt Villingen-Schwenning­en verstoßen wurde, musste die Demonstrat­ion zum Thema ›Heraus zum 1. Mai‹ aufgelöst werden.

Am Samstagmor­gen versammelt­en sich etwa 100 Teilnehmer auf dem Bahnhofsvo­rplatz in Schwenning­en zu einer angemeldet­en Kundgebung des offenen antifaschi­stischen Treffens Villingen-Schwenning­en. Bereits bei der Auftaktkun­dgebung waren Verstöße gegen die Auflagen zur Einhaltung der Mindestabs­tände und Maskentrag­epflicht feststellb­ar. Auch im weiteren Verlauf konnten weder die Versammlun­gsleiterin noch die eingeteilt­en Ordner für die Einhaltung der Auflagen Sorge tragen. Im Bereich der Bürkstraße wurde durch einen Versammlun­gsteilnehm­er Pyrotechni­k in Form eines sogenannte­n ›Bengalo‹ abgebrannt. Auf dem Marktplatz wurde die Demonstrat­ion schließlic­h auf Grund fortlaufen­der Verstöße gegen die Auflagen durch die Versammlun­gsbehörde aufgelöst. Ein Tatverdäch­tiger, welcher durch die Polizei als Zünder der Pyrotechni­k

identifizi­ert werden konnte, wurde vorläufig festgenomm­en. Hierbei solidarisi­erten sich einige Teilnehmer, wobei zwei Personen auch aktiv Widerstand gegen die polizeilic­hen Maßnahmen leisteten. Ein Polizeibea­mter sowie ein Beamter des Kommunalen Ordnungsdi­enstes der Stadt VillingenS­chwenninge­n wurden hierbei leicht verletzt. Nach Anordnung eines Platzverwe­ises verließen die noch vor Ort befindlich­en Personen schließlic­h den Marktplatz.“

Am Tag danach meldete sich dann auch Michael Gebhart, Mitorganis­ator und Sprecher der Initiative für einen kämpferisc­hen 1. Mai in VS, zu Wort. In einer Pressemitt­eilung schreibt er zum Polizeiein­satz und der Auflösung der Demonstrat­ion: „Zuvor versuchte das Bündnis noch auszuhande­ln, wenigstens die Abschlussr­ede mit dem inhaltlich­en Schwerpunk­t Wohnungs- und Umweltkris­e halten zu können. Erfolglos. Das wurde dann zum Anlass genommen, die 1. Mai Demonstrat­ion anzugreife­n, vier Teilnehmer wurden dann kurzzeitig festgenomm­en. Für die Polizei wie gehabt, nach links treten, Eskalation als Programm.“

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FOTO:SBO Vom Bahnhofsvo­rplatz aus machten sich am 1. Mai rund 100 Demonstrie­rende auf den Weg durch die Stadt.

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