Eine kleine Stadt verteidigt Kultur gegen die Pandemie
In kleinem Rahmen verabschiedet der Stadtkunstverein den Skulpturenweg auf dem Berg
SPAICHINGEN – 2020: Ganz Deutschland ist kultur-los. Ganz Deutschland? Nein: Im Südwesten gibt es eine kleine Stadt, die trotzig an der Kultur festhält. In Spaichingen findet das Jubiläumsprojekt Stadtkünstler statt, reduziert zwar, aber es existiert. Und jetzt hat es seinen Abschluss gefunden.
Fast genau ein Jahr nach der Vernissage fand nun die Finissage statt – Schlusspunkt einer ganz besonderen Ausstellung, unter mehreren Vorzeichen. Dass es sie im Coronajahr überhaupt gab, war schon eines dieser Wunder. Dass sie trotzdem – oder gerade deshalb? - auf großes Interesse stieß, ist die zweite Überraschung.
Nach Schätzungen des Stadtkünstler-Vereins haben weit mehr als 12 000 Besucherinnen und Besucher auf den Dreifaltigkeitsberg gefunden, um dort die Werke anzuschauen, erklärte Vereinsvorsitzender Karl-Ludwig Oehrle in seiner Bilanz einer aus seiner Sicht „sensationellen“Ausstellung.
Zwar mussten einige mit der Werkschau verbundene Veranstaltungen ausfallen oder reduziert werden; aber unterm Strich war das Vorhaben ein voller Erfolg. Oehrles Dank galt vielen, die dazu beigetragen haben: Naturgemäß den Künstlerinnen und Künstlern,
allen voran Kurator Jürgen Knubben, Sponsoren wie der Stadt, der Kreissparkasse oder der BW-Stiftung sowie vielen weiteren privaten Spendern und auch „Stadtfotograf“Kurt Glückler, „der ständig unterwegs und präsent war.“
Als gute Nachbarn zeigten sich die Claretinerinnen und Claretiner, und schließlich haben viele Mitglieder des rund 100 Köpfe zählenden Vereins am Zustandekommen in ihrer Freizeit mitgewirkt. Getrübt wurde die Schlussbilanz – neben den Corona-Auswirkungen – lediglich von der Beschädigung der Arbeit von Frieder Preis durch, so Oehrle, „rohe Menschen“.
Von großem Publikumsinteresse sprach der FV-Vorsitzende; das zeigte sich nicht nur in der nackten Zahl. Wie groß der Hunger nach Kultur war, zeigte sich auch in der Beobachtung, dass auch Menschen von weither nach Spaichingen kamen – aus Baden-Württemberg, aus ganz
Deutschland, aus Österreich und der Schweiz, ja sogar aus Dänemark waren Kunstbegeisterte da.
Fast 600 Einsendungen trafen zur Abstimmung des persönlichen Favoriten ein – am Ende lagen die Werke von Daniel Wagenblast, Frieder Preis, Angela Glajcar und Katrin Zuzáková nur durch wenige Stimmen getrennt vorn.
Einen Text der verhinderten früheren Vorsitzenden Karin Pfriender verlas Lena Grimm, der zufolge die Ausstellung unter freiem Himmel „Licht ins Dunkel“gebracht habe; der „Berg“habe sich einmal mehr als „Kraftort“erwiesen.
In Oehrles Dank stimmt auch Kurator Jürgen Knubben, selbst einmal Stadtkünstler, ein. Er würdigte den Mut in Spaichingen, „das durchzuziehen“, und freute sich an der Beobachtung, dass die Bürgerschaft das Projekt mitträgt – wie auch wieder das Rathaus, auch wenn es da einmal eine Durststrecke gegeben habe. Damit
meinte Knubben, ohne einen Namen zu nennen, die Amtszeit des ExBürgermeisters Hans Georg Schuhmacher.
Dessen Nachfolger Markus Hugger zufolge hat die Jubiläumsausstellung die Erwartungen übertroffen; sein Dank galt dem Verein und allen Künstlerinnen und Künstlern. Er bestätigte: „Die Stadt steht voll hinter dem Projekt.“Der Verein sei ein Aushängeschild; die Skulpturenschau suche ihresgleichen.
Das kam bei Betrachtern aus Nah und Fern an; und auch Kunstinteressierte, die mit der Region nicht so vertraut sind, fanden Trost und Glück in den Werken. Selbst wenn nicht alle alles sofort verstanden haben.
Eine Besucherin hatte gefragt, warum sie denn Insekten werde sehen können. Sie hatte im Prospekt von Willi Buchers „Larven“gelesen und kannte sich in der Fastnacht nicht so gut aus.