18 Leute müssen bei KLS Martin gehen
Nach Übernahme von Stuckenbrock: Transfergesellschaft soll Mitarbeiter auffangen
TUTTLINGEN - Es war im April 2020, als die KLS Martin Group Vollzug meldete: Das Tuttlinger Medizintechnikunternehmen hatte die Firma Stuckenbrock und mit ihr 50 Mitarbeiter übernommen. Ein Jahr später wird die gute Nachricht getrübt: 18 Mitarbeiter müssen nun doch gehen.
Einer der betroffenen Mitarbeiter wandte sich deshalb an unsere Zeitung. Seinen Namen möchte er nicht öffentlich nennen, er ärgert sich jedoch über das Vorgehen von KLS. Besonders darüber, „dass jedem meiner 17 nicht weiterbeschäftigten Kollegen und Kolleginnen bis zum unangekündigten Showdown am 19.4. auch beim öfteren Nachhaken zur hoffentlich baldigen Klärung dieser schwebenden Situation vorgegaukelt wurde, er würde weiterbeschäftigt werden“. Wenn auch nicht in seinem bisherigen Einsatzgebiet, „dann doch zumindest in einem adäquaten“, so der Betroffene.
Tatsächlich sei es 2020 das Ziel gewesen, alle Mitarbeiter zu übernehmen, „aber das war wirtschaftlich einfach nicht darstellbar“, sagt Thomas Hipp, in der Geschäftsleitung von KLS Martin für die Finanzen verantwortlich. Es habe sich herausgestellt, dass einige Produktionsprozesse in der Firma überholt oder technisch veraltet gewesen seien. Als Beispiel nennt Hipp das Entgraten, also die Feinbearbeitung, von beispielsweise Schrauben. „Das ist bei uns gar nicht nötig, weil wir die Schrauben mit einer Maschine selbst machen“, erläutert Hipp.
Auch in anderen Bereichen sei KLS Martin moderner aufgestellt oder wolle keine Doppelstrukturen aufbauen. „Zentrale Abteilungen wie beispielsweise Personal oder IT sind in Mühlheim bereits vorhanden, so dass vorhandene Synergien genutzt werden“, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Dennoch habe das Unternehmen die Mitarbeiter, die seit der Übernahme in der Firma KLS Martin Medical arbeiten, „nicht sang- und klanglos auf die Straße setzen“wollen, sagt Hipp. Sie werden sechs Monate in einer Transfergesellschaft weiterbeschäftigt.
Dabei erhalten die Mitarbeiter ihr Gehalt von der Agentur für Arbeit, das nach eigenen Angaben von KLS auf 85 Prozent ihres Nettolohns aufgestockt wird.
Außerdem können die Mitarbeiter sich weiterbilden. Insgesamt ein faires Angebot, sagt Hipp. Er schätzt, dass die Chancen für die Mitarbeiter gut sind, in der Tuttlinger Medizintechnik wieder eine Stelle zu finden. Natürlich komme es aber individuell darauf an, „was einer kann“.
Einen Betriebsrat hat KLS Martin Medical nicht, auch beim Vorgänger Stuckenbrock gab es keinen. Deshalb hat die IG Metall Albstadt keinen genauen Einblick in die Vorgänge. Generell sei eine Transfergesellschaft eine vergleichsweise gute Lösung für die Mitarbeiter in einer solchen Situation, sagt Gewerkschaftssekretärin Carolin Niederauer. Sie verbessere deren Arbeitsmarktchancen.
„Wir haben uns diese Entscheidung alles andere als leicht gemacht, schließlich steht hinter jeder Stelle ein Mensch mit persönlicher Geschichte“, wird auch Christian Leibinger, Geschäftsführender Gesellschafter der KLS Martin Group, in der Pressemitteilung zitiert. Er müsse aber langfristig die Zukunft des Unternehmens im Blick behalten.
Dass die Konsolidierung nun erfolgt, dürfte auch mit dem Grund für die Übernahme zusammenhängen. KLS Martin hatte Stuckenbrock in erster Linie gekauft, um sich die Gesellschaftsanteile an der Firma Gebrüder Martin zu sichern.
Gebrüder Martin war 1923 als Vertriebsgesellschaft für mehrere Tuttlinger Medizintechnikproduzenten gegründet worden. Zwei von ihnen waren die Firmen Karl Leibinger und Stuckenbrock. Leibinger hatte nach und nach die Anteile der anderen
Firmen übernommen, seit 2004 blieb einzig Stuckenbrock als zweiter Gesellschafter übrig, mit immerhin 18 Prozent der Anteile. Seit der Übernahme 2020 sind die Anteile nun vollständig im Besitz der Familie Leibinger, die hinter KLS Martin steht.
Die KLS Martin Group beschäftigt weltweit etwa 1600 Mitarbeiter, 750 von ihnen in Tuttlingen und Mühlheim. Das Unternehmen ist auf Implantate und Elektromedizin spezialisiert. Zum Produktspektrum gehören außerdem chirurgische Laser, Sterilisationscontainer, Operationsleuchten sowie über 16 000 chirurgische Instrumente.
2020 erwirtschaftete die KLS Martin Group einen Umsatz von 288 Millionen Euro. Der Umsatz war laut Unternehmen aufgrund der Ausgaben für die Corona-Pandemie um etwa vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen.