„Jedes Maus- und Maulwurfsloch war voll mit Wasser“
Starkregen hat am 10. Juni 1996 Keller, Straßen und das Spaichinger Freibad unter Wasser gesetzt
SPAICHINGEN - Gewitter und Regen bestimmen seit zwei Tagen den regionalen Wetterbericht, aber immerhin heißt es nicht „Land unter“wie vor 25 Jahren. Am 10. Juni 1996 stand die Region buchstäblich unter Wasser: unter anderem in Deilingen, Gosheim, Spaichingen und Wehingen gab es einen so heftigen Regen, dass die Straßen teilweise einen Meter überflutet waren. „Jedes Mausund Maulwurfsloch war voll mit Wasser“, erinnert sich der ehemalige Stadtbaumeister von Spaichingen Walter Stockburger an den Hochwassertag im Jahr 1996.
Bereits Tage zuvor hatte es stark geregnet. Am 8. Juni zum Beispiel waren es 40 Liter pro Quadratmeter. Dadurch seien die Hänge am Dreifaltigkeitsberg schon so mit Wasser gesättigt gewesen, dass das Wasser zwei Tage später rund zehn Zentimeter hoch die Böschung Richtung Stadt runterstürzte. „54 Liter pro Quadratmeter hat der Deutsche Wetterdienst am 10. Juni auf dem Klippeneck gemessen“, sagt Stockburger.
Das Unwetter mit sintflutartigen Regenfällen kam um die Mittagszeit. Stockburger war zu der Zeit im Büro und das Telefon lief heiß, als die ersten Meldungen von vollgelaufenen Kellern eingingen. Mindestens 20 Häuser waren betroffen, unter anderem in der Hauptstraße, bei der Einmündung Robert-Koch-Straße zur Europastraße und den Häusern am Unterbach beim Ententeich. „Die Feuerwehr und der Bauhof sind dann rausgefahren“, erzählt Stockburger. Die Mitarbeiter des Bauhofs hätten die Rechen am Bachlauf der Prim gereinigt, damit es zu keinen Verstopfungen durch Äste und Laub gab.
Für die Feuerwehr Spaichingen war es „der wohl umfangreichste und zeitaufwändigste Einsatz“in dem Jahr, wie es der damalige Kommandant Günther Schmid in seiner Rede zur Jahreshauptversammlung im Februar 1997 bezeichnete. „Ich kann mich noch vage an das Hochwasser erinnern“, sagt er. „Das Problem
war, dass die Kanalisation aufgrund der heftigen Regenfälle überlastet war. In der Hauptstraße hat es die Schachtdeckel hochgehoben.“Einer der Einsatzschwerpunkte der Feuerwehr war das Freibad. „Das war eine richtige Schlammflut“, bezeichnet Schmid das Oberflächenwasser, dass das Freibadareal geflutet hat.
Das Wasser stand über einen Meter hoch. Auf Bildern aus der Zeit ist die schlammige Brühe gut zu sehen. Das Hochwasser war an einem Montag, am Folgetag konnte die Feuerwehr bereits mit den Aufräumarbeiten beginnen. Die Pumpen des Bads waren kaputt und alle Filter mussten neu bestückt werden. Erst im September hat das Freibad wieder geöffnet. Die Feuerwehr hat nach dem Hochwasser das Freibad drei Tage lang vom Schlamm befreit.
Insgesamt war die Feuerwehr an 50 bis 60 kleineren Einsatzstellen vor Ort und hat Keller leer gepumpt. Unterstützung erhielt die Spaichinger Wehr von den Kollegen aus Tuttlingen und Aldingen. In der Region sei Spaichingen am Schlimmstenbetroffen gewesen, so Schmid.
Auch die Gemeinde Deilingen blieb vom Hochwasser nicht verschont. 30 Gebäude im Wohngebiet Öschle hatten am 10. Juni 1996 Wasser im Keller und benötigten Hilfe von der örtlichen Feuerwehr. Auch unbefestigte Wege und Straßenränder wurden durch die Wassermassen beschädigt. „Öschle liegt realtiv tief und von zwei Seiten kommt da topografisch gesehen Wasser runter“, sagt Albin Ragg, der auch beim Hochwasser schon Bürgermeister von Deiligen war. Er selbst hat sich die Lage in Gummistiefeln angeschaut, die Schäden notiert und Fotos
vom Hochwasser gemacht. „Von älteren Bürgern habe ich mir sagen lassen, dass das Hochwasser 1975 wohl deutlich schlimmer gewesen sein soll. Nach dem 10. Juni 1996 hatten wir auch kein so schlimmes Hochwasser mehr“, erzählt er.
Nach den Überschwemmungen habe die Gemeinde in den Hochwasserschutz investiert und in den Jahren 2005 und 2011 mit Hilfe des Landes Baden-Württemberg umfangreiche Hochwasserschutzmaßnahmen für den Bereich „Mühlbach und Zuflüsse“sowie „Öschle und Ziegelwasen“mit knapp zwei Millionen Euro verwirklicht, so Ragg.
Auch in Spaichingen hat sich seit dem Hochwasser vor 25 Jahren einiges getan. Davor gab es nur zwei Hochwasserrückhaltebecken, die nach einem Hochwasser Anfang der 70er Jahre gebaut wurden. „Bei dem Hochwasser kam ein Mann ums Leben. Sein Keller war voll Wasser gelaufen und er wollte die Waschmaschine ausstecken. Dabei hat er einen Stromschlag erlitten und ist gestorben“, erzählt Walter Stockburger. Im Jahr 1973 hat das Ingenieursbüro Breinlinger aus Tuttlingen der Stadt Spaichingen ein Hochwasserschutzkonzept mit elf Hochwasserrückhaltebecken empfohlen. Zum Zeitpunkt des Hochwassers 1996 waren zwei davon fertiggestellt. „Weitere sind vor dem Hochwasser erstmal nicht gebaut worden, da der Gemeinderat mit dem Rathausumbau und dem
Marktplatz andere Prioritäten hatte“, so Stockburger. Nach dem Hochwasser hat der Gemeinderat beschlossen, weitere Hochwasserrückhaltebecken zu bauen (siehe Kasten).