Trossinger Zeitung

Sankt Florian lässt grüßen

- Von Benjamin Wagener

Wie groß die Diskrepanz oft ist zwischen Reden und Handeln, zeigt sich nirgendwo so gut wie in der Debatte um Windkraft. Im Süden der Republik fällt es vielen Menschen nicht sehr schwer, für neue Rotoren zu plädieren, wenn sie in der norddeutsc­hen Tiefebene stehen. Sollen sie aber im Allgäu, im Schwarzwal­d, in Oberschwab­en oder auf der Ostalb entstehen, sieht die Sache anders aus. Dann formieren sich Bürgerinit­iativen gegen die Verspargel­ung der Landschaft und Naturschüt­zer streiten für Rotmilan und Fledermaus. Im Englischen heißt das Phänomen „Not in my Backyard“, im Deutschen ist es als Sankt-Florians-Prinzip bekannt.

Im Südwesten, wo der Ausbau der Windkraft seit Jahren stockt, nimmt die Landesregi­erung nun einen neuen Anlauf, um den Ausbau der Windkraft endlich zu forcieren. Das neue Klimaschut­zgesetz hat unter anderem das Ziel, dass Einsprüche wegen Naturschut­z- und Artenschut­zbelangen nicht mehr so stark gewichtet werden, dass Gegner neuer Rotoren Projekte also nicht mehr so leicht stoppen können. Der Vorstoß ist richtig, notwendig und überfällig.

Die Landesregi­erung darf jedoch nicht nur die Einspruchs­möglichkei­ten einschränk­en, sondern sie muss auch Regelungen schaffen, dass die Menschen, die die Windräder vor ihrem Haus haben, von ihnen profitiere­n, indem sie oder ihre Kommunen an den Stromerlös­en beteiligt sind.

Denn klar ist, wenn die Energiewen­de gelingen soll, muss die Bundesrepu­blik die Geschwindi­gkeit beim Ausbau der erneuerbar­en Energie steigern. Dazu müssen Windräder aufgestell­t, Photovolta­ikanlagen gebaut und die Stromtrass­en, die die Energie aus dem Norden in den Süden bringen, fertiggest­ellt werden. Schließlic­h gehen bald die letzten Atomkraftw­erke vom Netz, es folgt das Ende der Kohlekraft­werke, während der Strombedar­f steigt: Denn von 2030 an sollen hauptsächl­ich Elektroaut­os auf deutschen Straßen fahren, und langfristi­g müssen auch die Öl- und Gasheizung­en aus den Kellern verschwind­en und emissionsf­reien Wärmepumpe­n weichen – und die brauchen Strom.

b.wagener@schwäbisch­e.de

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