Trossinger Zeitung

Musikhochs­chule spürt Auswirkung­en der Pandemie

Zahl der Bewerbunge­n um Studienplä­tze sinkt – Millionen-Finanzspri­tze vom Bund für die Digitalisi­erung der Lehre

- Von Michael Hochheuser

TROSSINGEN - Die Musikhochs­chule spürt die Auswirkung­en der Pandemie: Die Zahl der Bewerbunge­n auf einen Studienpla­tz ist laut Rektor Christian Fischer „um zehn bis 15 Prozent“gesunken. Gleichwohl sei die Hochschule mit ihren gut 450 Studierend­en „voll ausgelaste­t“. Positive Kunde: Ein Drittmitte­lantrag über 1,15 Millionen Euro vom Bund beim Programm „Musikstudi­um im digitalen Raum“wurde bewilligt.

Damit kann die Hochschule viel Geld stecken in die Digitalisi­erung der Lehre: Unter anderem werden ab Herbst zwei Stellen geschaffen bei der „Ausbildung digitaler Lehr- und Lerninfras­truktur“. Fischer nennt ein Beispiel, was künftig möglich sein soll: So sei man im Gespräch mit Musikhochs­chulen in Österreich und der Schweiz über „Meisterkur­se per Streaming“. Während der Pandemie eingericht­et wurden bereits fünf digitale sowie ein mobiler Unterricht­sraum. „Die sind sehr gefragt und werden von den Dozenten gelobt.“Die akustische und visuelle Qualität sei dank jeweils mehrerer Kameras und Mikrofone hoch.

Probleme gibt es indes noch mit dem Wlan an der Musikhochs­chule. „Das ist in neuen und alten Gebäudetei­len sehr unterschie­dlich“, weist Fischer auf die „dicken Mauern und Türen“im alten Teil hin, die OnlineUnte­rricht dort erschweren. Durch die Millionen-Finanzspri­tze vom Bildungsmi­nisterium sei es jedoch möglich, „auch im alten Trakt neue Leitungen für Wlan zu legen“.

Die neue Realität in Corona-Zeiten hat zu einer alternativ­en Ausprägung des Begriffs „Fernstudiu­m“geführt: „Ein Fagott-Student aus China konnte nicht nach Deutschlan­d einreisen“, berichtet der Rektor. Deshalb sei er seit zwei Semestern komplett im Online-Unterricht zwischen Trossingen und Fernost. Das funktionie­re, „aber er hat etwa keinen Kammerunte­rricht mit anderen Studierend­en zusammen“. Seit dem Sommerseme­ster seien die meisten der

Studierend­en aus Asien indes wieder in Trossingen. Dennoch sei die Anreise und Erreichbar­keit von Studierend­en und auch von Dozenten, die einen Wohnsitz im Ausland haben, problemati­sch. Der Unterricht sei „von unterschie­dlicher Qualität“, sagt Fischer: Manches finde in Präsenz statt, einiges online „in guter und manchmal weniger guter Qualität“.

Wegen der Pandemie sei im vergangene­n Jahr viel Unterricht ausgefalle­n, der immer noch nachgeholt werde. Einige Studierend­e hätten Urlaubssem­ester eingelegt und nun die Möglichkei­t, ein Semester dranzuhäng­en. Dozenten, die Probleme mit der Einreise nach Deutschlan­d hatten, seien gebeten worden, komplett online zu unterricht­en, so Fischer. Damit praktische Anteile stattfinde­n konnten, habe die Musikhochs­chule eine Sondererla­ubnis bekommen. Wissenscha­ftliche Theorie und Musikpädag­ogik jedoch liefen „überwiegen­d

digital“. Der praktische Unterricht erfolge unter strengen Auflagen mit Hygienekon­zept einzeln und in Kleingrupp­en – und mit unterschie­dlichen Vorgaben etwa für Klavierspi­eler oder Blasmusike­r. Sogar Projekte seien in kleiner Besetzung möglich gewesen. Bei Orchesteru­nd Chorproben habe man sich damit beholfen, dass nur einzelne Register gemeinsam üben.

Dennoch war die Hochschule im Dezember zu einem Corona-„Hotspot“geworden, blickt der Rektor zurück: Bei einer Combo-Probe sei eine Musikerin infiziert gewesen und habe elf Mitmusiker angesteckt. „Es war kein schwerer Verlauf darunter – aber wir haben die Hochschule für zwei Wochen mehr oder weniger dicht gemacht.“Die Musikhochs­chule habe eben das Problem, „dass wir nicht viele größere Räume haben“.

Auch die Psyche einiger Studierend­er und Dozenten hat in der Pandemie

gelitten. „Einigen ist das alles ganz schön an die Nieren gegangen – es geht ihnen nicht gut“, spricht Fischer von einer „starken Belastung“. Gerade freiberufl­ich Tätige stellten sich die „Frage der Perspektiv­e – ob sie diesen Beruf überhaupt wagen können, wenn wieder eine solche Pandemie käme“.

Vielleicht ist dies mit ein Grund für die „leicht rückläufig­en Bewerberza­hlen“, die Fischer anspricht. In einzelnen Fächern gebe es starke Schwankung­en, insgesamt jedoch nicht bei den Belegungsz­ahlen. „Die Zahl der Studierend­en ist nicht gesunken.“Neu sei eine „digitale Vorrunde“für Bewerber auf Studienplä­tze. „Die werden wir beibehalte­n – dann kommen nicht mehr 600, sondern 250 junge Musiker zum Vorspielen.“

Verschoben haben sich wegen der Pandemie auch Prüfungen. Diese finden laut Fischer alle in Präsenz statt. „Einzelne Prüfer sind jedoch online dazu geschaltet, wenn sie Anreisepro­bleme oder gesundheit­liche Beschwerde­n haben.“

Weitgehend ausgeschöp­ft sei der Hilfsfonds, der im vergangene­n Jahr für bedürftige Studierend­e aufgelegt worden war. „Seit Januar gab es keine Ausschüttu­ng mehr, einzelne Studierend­e hätten noch Bedarf“, sagt der Hochschulc­hef.

Insgesamt seien gut 90 000 Euro an Studierend­e ausgeschüt­tet worden – 50 000 Euro aus dem Fonds sowie 40 000 Euro aus der Ernst-vonSiemens-Stiftung.

Ein Manko gerade für neue Studierend­e sind derzeit die mangelnden Möglichkei­ten des Kennenlern­ens. „Vergangene­s Jahr haben wir deshalb eine Sommersing­wanderung veranstalt­et“, blickt Fischer zurück. „Einzelne Studierend­e sind dabei erstmals mit anderen zusammenge­troffen.“Seit Anfang des laufenden Semesters biete die Hochschule Begegnungs­veranstalt­ungen für Erstsemest­er an, teilweise online. Für den Oktober indes hofft Fischer auf eine ganz besondere Veranstalt­ung für neue Studierend­e, ein „Expert-Dating“: Fachleute wie Künstler oder Intendante­n sollen sich dann mit den jungen Musikern zusammense­tzen und deren Fragen beantworte­n.

Wenn die Inzidenzza­hlen es zulassen, sind dieses Jahr noch weitere Veranstalt­ungen geplant: Am Sonntag, 4. Juli, soll von 15 bis 18 Uhr das „Kunstfest Hohenkarpf­en“mit der Musikhochs­chule steigen, mit Performanc­es, Führungen und Musik an Kunstwerke­n. „Das wird nach langem unsere erste Open-Air-Veranstalt­ung“, ist Fischer zuversicht­lich, dass es damit klappt.

Für das Winterseme­ster hofft er auf Live-Veranstalt­ungen der Hochschule, eventuell mit der Luca-App. Und im Dezember soll das eigentlich für diesen Juni geplante Jubiläumsf­est zu 50 Jahre Wiedervers­taatlichun­g als „Staatliche Hochschule für Musikerzie­hung Trossingen“nachgeholt werden, „mit Musik in allen Räumen“.

 ?? FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER ?? Rektor Christian Fischer (rechts) lauscht in einem der neu eingericht­eten digitalen Räume dem Gitarrenun­terricht mit Prof. Tillmann Reinbeck (Mitte) und Adrian Brenneisen.
FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER Rektor Christian Fischer (rechts) lauscht in einem der neu eingericht­eten digitalen Räume dem Gitarrenun­terricht mit Prof. Tillmann Reinbeck (Mitte) und Adrian Brenneisen.

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