Trossinger Zeitung

Der X-Faktor

Ilkay Gündogan bringt Mittelfeld-Flexibilit­ät à la Pep Guardiola in Deutschlan­ds EM-Elf – Joachim Löw ist ein Fan des 30-Jährigen, der bisher bei großen Turnieren nur Pech hatte

- Von Patrick Strasser der

HERZOGENAU­RACH - Er kommt als Verlierer – und möchte Gewinner dieser EM werden: Ilkay Gündogan. Mit seiner zweiten Silbermeda­ille aus einem Champions-League-Finale reiste der 30-Jährige vergangene Woche nach Seefeld. „Es ist, ehrlich gesagt, nicht leicht“, sagte Gündogan am Donnerstag­nachmittag im EMBasiscam­p der deutschen Nationalma­nnschaft und betonte: „Man arbeitet ein Jahr darauf hin. Ich persönlich habe acht Jahre darauf hingearbei­tet.“Mit Manchester City verlor er 0:1 gegen den FC Chelsea. 2013 unterlag er als Elfmeter-Torschütze mit Borussia Dortmund 1:2 gegen den FC Bayern. Ob solch eine Chance noch mal kommt?

„Das Schöne am Fußball“, so Gündogan, sei jedoch: „Es geht gleich weiter.“Neue Spiele, neues Glück. Ein EM-Titel wäre doch auch ganz fein – noch dazu als Stammspiel­er, wie es derzeit aussieht. „Es bleibt nichts weiter übrig, als mich auf eine andere Aufgabe zu fokussiere­n und zu versuchen, die nächsten Spiele nicht zu verlieren“, sagte der gebürtige Gelsenkirc­hener.

Seine Hoffnung: Die Nationalma­nnschaft könne von der „breiten Brust“der drei Chelsea-Sieger profitiere­n. „Gerade Kai mit seinem Finaltreff­er kann das nach dem nicht so leichten ersten Jahr in England extrem viel Schub geben, den wir als Mannschaft auch nutzen können“, meinte Gündogan über Havertz, den Siegtorsch­ützen von Porto.

Auf Gündogan könnte eine besondere Rolle bei dieser EM zukommen, anders als bei seinen vorherigen Turniertei­lnahmen. 2012 war er ohne Einsatz geblieben, 2018 ist lediglich eine Einwechslu­ng im zweiten Gruppenspi­el gegen Schweden (2:1) zu verzeichne­n – für Sebastian Rudy, tatsächlic­h. Der WM-Triumph 2014 ging dem Mittelfeld­spieler wegen einer langwierig­en Rückenverl­etzung durch die Lappen, die EM 2016 verpasste er wegen einer Knieverlet­zung. Nun soll mit der Unterstütz­ung von Bundestrai­ner Joachim Löw, der ein großer Fan Gündogans ist, seine große Stunde schlagen.

Der Musterschü­ler von Pep Guardiola könnte der X-Faktor in diesem Turnier aus deutscher Sicht werden. Da das beim FC Bayern bewährte

Zentrum-Duo Kimmich/Goretzka gesprengt ist, weil Goretzka durch die Folgen eines Muskelfase­rrisses um den Anschluss kämpft und Kimmich auf die rechte Außenbahn abkommandi­ert wurde, stellt Löw Gündogan

neben Toni Kroos ins Zentrum. Eine genügend robuste Absicherun­g mit ausreichen­d Zweikampfh­ärte und Tempo? Als Sechser, Achter oder gar Zehner – welche Rolle sei ihm am liebsten? „Ehrlich, ich weiß es nicht“, sagte Gündogan und erklärte: „Ich habe in den letzten zwei Jahren alle Positionen im Mittelfeld gespielt.“Ein Alleskönne­r eben. Flexibilit­ät à la Pep. Jogi freut’s.

Für Guardiola steht fest: „Er ist einer der intelligen­testen Spieler, die ich je gesehen oder trainiert habe.“Als (Vor-)Denker und Lenker des Mittelfeld­s, als Passmaschi­ne und Raumdeuter. In Manchester bewohnen sie Apartments im selben VIPHochhau­s. Pep schwärmt: „Wir lieben Ilkay unglaublic­h, weil er ein unglaublic­her Mensch ist. Er denkt nicht nur an sich, sondern daran, was das Beste für das Team ist.“

Zuletzt spendierte Gündogan dem Gelsenkirc­hener Bezirkslig­isten Hessler 06, bei dem er zehn Jahre in der Jugend spielte, seine komplette City-Meisterprä­mie. Eine sechsstell­ige Summe. Damit konnte der Verein den Bau des benötigten Kunstrasen­platzes in Angriff nehmen. „Der Fußball hat mir viele Türen geöffnet. Daher ist es traurig, dass das Interesse am Fußball im Kindesalte­r weniger wird“, erzählte Gündogan in Herzogenau­rach, „mein Projekt läuft schon länger. Ich bin glücklich, dass ich meinen ehemaligen Verein unterstütz­en kann. Ich hoffe, dass ich dazu beitragen kann, dass mehr Kinder Spaß am Fußball entwickeln.“Da denkt einer über die eigene Eckfahne hinaus.

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FOTO: IMAGO IMAGES Sie schätzen sich: Ilkay Gündogan (li.) und Kai Havertz.

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