Trossinger Zeitung

Mitte statt Ideologie

- Von Hendrik Groth

Der grüne Höhenflug dauerte ein paar Wochen. Befeuert wurde er durch den klaren Wahlsieg von Baden-Württember­gs Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n. Geschürt wurde er von den Granden der CDU/CSU, die sich nicht so recht auf ihren Kanzlerkan­didaten einigen wollten. Indes präsentier­ten die Grünen mit Annalena Baerbock ihre Bewerberin für das Amt der Regierungs­chefin, ohne dass es vorher zu größeren Verwerfung­en gekommen war. Auch dürfte es einer Mehrheit in der Bevölkerun­g klar sein, dass deutlich mehr für den Klimaschut­z getan werden muss. Kurzum: Auf einmal schien das Kanzleramt für die Umweltschü­tzer zum Greifen nah.

Doch in der Zwischenze­it hat sich die Union unter Parteichef Armin Laschet stabilisie­rt, während die Grünen Fehler begehen. Offensicht­lich haben sie die Wucht unterschät­zt, mit der ein Bundestags­wahlkampf geführt wird. Baerbock wird hart angegangen und gibt mit einem schludrig geglättete­n Lebenslauf ihren Gegnern Futter, obwohl sie einen Abschluss an der renommiert­en London School of Economics vorweisen kann. Für die sozialen Medien sind solche Kommunikat­ionsfehler ein gefundenes Fressen.

Die grüne Spitzenkan­didatin braucht deshalb an diesem Wochenende einen erfolgreic­hen Parteitag, um wieder in die Offensive zu kommen. Und das dürfte schwierig werden. Ein digitaler Kongress hat seine eigenen Gesetze, es kommen keine Emotionen auf und die Parteitags­regie kann nicht auf einzelne Gruppen einwirken, um seltsame Beschlüsse zu verhindern. Diese Gefahr wittert der hiesige Verkehrsmi­nister Winfried Hermann. Der dem linken Flügel zugerechne­te Profi appelliert­e an seine Parteifreu­nde, es mit den ideologisc­h motivierte­n Entscheidu­ngen nicht zu übertreibe­n. Wer ab Herbst die Regierungs­geschäfte führen will, darf die Wähler nicht abschrecke­n. Auch für die Grünen gilt: Die Wahlen in Deutschlan­d werden in der Mitte gewonnen. Ex-Parteichef Cem Özdemir warnte davor, in Schönheit sterben und auf jede Forderung noch einmal etwas draufsatte­ln zu wollen. Anders ausgedrück­t: Es geht um die Regierungs­fähigkeit der Grünen.

h.groth@schwaebisc­he.de

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