Rom verschließt die Augen
Die katholische Kirche sei an einem „toten Punkt“angekommen. Mit dieser Feststellung begründet Reinhard Kardinal Marx sein an den Papst eingereichtes Rücktrittsgesuch. Zweifelsohne: Seine Ankündigung und Bereitschaft zur Übernahme von Mitverantwortung ringen mir Respekt ab. Allerdings scheint sein Schritt eher symbolischen Wert zu haben Tatsächlich geht es um weit mehr. Im Spannungsfeld der Ansprüche ihrer Mitglieder stehend, scheint vor allem der Katholizismus seinen Kompass verloren zu haben. Wenngleich sich die Mehrheit der Anhänger in Deutschland einen liberaleren Kurs der Kirche, vor allem in Sachen Zölibat und der sexualethischen Fragen, zu wünschen scheint, bremst die Kurie solche Bestrebungen regelmäßig aus. Denn es dürfte zur DNA Roms gehören, die Augen vor der Lebenswirklichkeit der Menschen zu verschließen. Dass es auch in unseren Breiten noch immer einen Konservatismus und Hardlinertum gibt, machen nicht zuletzt Woelki, Oster und Voderholzer deutlich. Sie verunmöglichen die Wiederbelebung der Kirche – oder glauben sie etwa an deren Auferstehung?
Dennis Riehl, Konstanz
Zum Rücktrittsangebot von Kardinal Marx erreichte uns folgende Zuschrift:
Kirche muss treibende Kraft sein
Zum selben Thema:
Was ist der bessere Weg, der Rücktritt oder das Verbleiben im Amt? Schwierig, diese Frage zu beantworten. Bedenklich aber dahingehend, dass unter „Amtsbrüdern“der eine dem anderen mit dem Rücktritt wohl einen Fingerzeig geben wollte. Warten wir also ab, was im Visitationsprotokoll aus Rom steht. Ob es in Deutschland oder reduziert auf das Erzbistum Köln einen Neustart geben muss, erschließt sich mir nur bedingt. Wäre es nicht zeitgemäß, Kirche in Deutschland mal wieder von Gott her zu denken und zu leben? Man könnte auf dieser Basis durchaus annehmen, dass dadurch der Gottesferne wenigstens ein Stück weit Einhalt geboten werden kann. Danach ginge es an Erneuerung und Veränderung. Denn dieser Kirche darf man ruhig zumuten, endlich mal wieder „die PS auf die Straße zu bringen“, aus dem Schattendasein herauszutreten und nicht mehr nur Getriebene zu sein, sondern eine treibende Kraft. Nötig hätten wir es. Herbert Waizenegger, Mühlheim/ Donau
Bitte nicht immer auf die Kleinen
Zum Leitartikel „Die Koalition hat viel Zeit verspielt“(8.6.):
Ich gebe Ihnen im Gesamten recht. Aber ein ganz wichtiger Aspekt in dieser Diskussion fehlt durchgängig: Wenn ausnahmslos alle Renten- und Pensionsbezieher einzahlen würden, wäre die Situation wahrscheinlich sehr wohl entspannter. Es ist bekannt, dass die Pensionsrückstellungen vor allem bei den Beamtenpensionen eine Höhe erreicht haben, die schwindelig macht. 487,1 Milliarden Euro konnte ich gerade im Internet feststellen (faz vom 20.08.2014) und es ist anzunehmen, dass das in der Zwischenzeit nicht weniger geworden ist.
Kein Neid, ich gönne jedem seine Pension. Doch ist nicht mehr einzusehen, dass man bei der Lebensarbeitszeit immer noch mehr draufsattelt. Aber das ist ja auch am einfachsten! Um auf den Schlusssatz zurückzukommen: Eine verlässliche Regelung der Altersvorsorge gehört zu den grundlegenden Hausaufgaben, aber bitte nicht so, dass es immer nur die „Kleinen“trifft!
Waldemar Speckle, Argenbühl-Eisenharz
SPD ohne gemeinsame Strategie
Zum Thema Maskenaffäre:
Was mag das SPD-Führungsduo Esken / Walter-Bojans wohl geritten haben, diese vermeintliche Maskenaffäre so hoch aufzuhängen? Nachdem auch ein SPD-geführtes Ministerium an der Aktion beteiligt war, verwundert das Vorgehen der beiden schon sehr. Allerdings macht es einmal mehr deutlich, woran es bei der SPD mangelt. Kanzlerkandidat und Parteiführung laufen nebeneinander her. Gemeinsame Strategie – Fehlanzeige. Das scheint auch die Wählerschaft zu spüren und macht ihr Kreuzchen woanders. Man kann Jens Spahn wirklich einiges vorwerfen, aber die Fakten sind in diesem Fall doch wohl anders. Somit scheint die Diskussion über FFP 2 oder KN 95 im Nachhinein als kleinkarierte Erbsenzählerei, die dem Wahlkampf geschuldet ist. Ein Eigentor war es allemal.
Herbert Neidhardt, Tettnang
Kein Wort zu den Ursachen
Zu „Frustrierte nicht verloren geben“(7. 6):
Rechtsradikale und Rechtspopulisten mit beachtlichem Wählerpotenzial gibt es nicht nur in ehemaligen Ostblockstaaten. Betroffen von dieser bedauerlichen Entwicklung sind ebenso Westeuropa, die USA, Brasilien oder Indien. Dass in Ostdeutschland an diesem Zustand hauptsächlich die Sozialisierung durch die SED-Diktatur Schuld sein soll, halte ich für eine kaum zu rechtfertigende These, mal ganz davon abgesehen, dass ausgerechnet die jüngeren Jahrgänge, welche also die Diktatur gar nicht mehr kennenlernen mussten, den größten Anteil der AfD-Wähler in SachsenAnhalt ausmachen. Nach meiner Überzeugung sind es eher solche „Besserwessi-Betrachtungen“, in denen kein Wort über die wahrhaftig wichtigen Ursachen dieser Spaltung der Gesellschaft zu finden ist, nämlich Perspektivlosigkeit, Arbeitslosenquote, soziale Benachteiligung und Zukunftsangst, die einen Teil der Bewohner der neuen Bundesländer in die Arme der rechten Rattenfänger treiben. Dort haben sie wenigstens das Gefühl, sich mit diesem Protestverhalten Gehör und Beachtung verschaffen zu können.
Harald Schulze, Weißensberg
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