„Europameister kommt aus der deutschen Gruppe“
Frankreich ist der große Favorit - DFB-Mannschaft wird von heimischen Experten unterschiedlich bewertet
TUTTLINGEN - Der Ball rollt. Die Fußball-Europameisterschaft hat gestern Abend begonnen und zieht wieder viele Fans in ihren Bann. Deutschland spielt in der Gruppe F und trifft in der Vorrunde auf Frankreich, Portugal und Ungarn. Die Chancen der deutschen Mannschaft auf ein erfolgreiches Abschneiden werden bei heimischen Experten, bei denen wir uns umgehört haben, unterschiedlich bewertet. Einhelliger Favorit ist Frankreich.
Noch nicht so richtig angekommen ist die Europameisterschaft bei
dem Trainer des Landesligisten SC 04 Tuttlingen. „Wenn ich ehrlich bin, bin ich noch gar nicht im Europameisterschaftsfieber. Die EM läuft bisher an mir vorbei. Ich habe mir auch nicht die letzten Spiele der deutschen Mannschaft angeschaut“, gibt der SC-Coach einen Einblick in seine Stimmung. „Deutschland hat sicher eine gute Mannschaft, ob sie von der Mentalität und vom Kopf her schon so weit ist, Europameister zu werden, weiß ich nicht. Aber Deutschland ist eine Turniermannschaft, und ich hoffe, dass das DFB-Team eine gute EM spielt“, so Keller weiter. „Es fällt mir schwer, mich auf einen Titelaspiranten festzulegen. Frankreich hat eine gute Mannschaft, und Spanien ist immer stark.“
Spielertrainer des Bezirksligisten SV Bubsheim, glaubt: „Der Europameister kommt wahrscheinlich aus der deutschen Gruppe.“Neben dem deutschen Team spielen in dieser Gruppe mit Frankreich der Weltmeister und mit Portugal der Europameister. „Wenn man gegen Frankreich und Portugal verliert, muss man im dritten Spiel gegen Ungarn punkten“, sieht Ratke schwere Spiele auf die deutsche Mannschaft zukommen. Der Bubsheimer Spielertrainer weiter: „Gut ist, dass auch vier Gruppendritte
Andreas Keller, Paul Ratke,
weiterkommen. Auch England traue ich einiges zu.“Zur deutschen Mannschaft meint Ratke: „Wenn die Deutschen defensiv gut stehen, dann ist vieles möglich. Aber wir sind halt immer für ein Gegentor gut.“
Trainer des Bezirksligisten FV Möhringen, glaubt, dass Frankreich Europameister wird. „Die Franzosen haben die besten Einzelspieler, große Qualität in ihrem Kader.“Zur deutschen Mannschaft sagt Jäger: „Ich traue Deutschland den Finaleinzug zu, vorausgesetzt, die Deutschen überstehen die Gruppenphase. Dann können sie mit viel Selbstvertrauen und Schwung in die nachfolgenden Spiele gehen. Aber an den ganz großen Wurf, den EM-Titel, glaube ich nicht.“Jäger, der ungarische
Heinz Jäger,
Wurzeln hat, freut sich, dass auch Ungarn bei der EM dabei ist. Jäger: „Die Ungarn sind in der Gruppe mit Frankreich, Portugal und Deutschland absoluter Außenseiter. Sie schätzen ihre Chancen realistisch ein, freuen sich, gegen die besten Mannschaften Europas spielen zu können. Die Spiele sollten ein Höhepunkt sein.“
Für Trainer des Landesligisten SpVgg Trossingen, ist Frankreich der Top-Favorit. „Mein Tipp ist Frankreich. Die Franzosen sind physisch und technisch sehr stark, haben die kompakteste Mannschaft“, meint der Coach und führt weiter aus: „Danach gibt es ein paar Geheimfavoriten, darunter zähle ich auch Deutschland, doch zum engen
Andreas Probst,
Favoritenkreis zähle ich unser Team nicht.“Probst gefällt die Spielweise des DFB-Teams nicht: „Wie die deutsche Mannschaft Fußball spielt, das überzeugt mich nicht. Das ist immer ein Auf und Ab. Wir spielen immer noch den Fußball auf Ballhalten. Dieser extreme Ballbesitzfußball hat 2010 und 2014 noch funktioniert. Aber jetzt? Uns fehlt die Durchschlagskraft, vorne drin ein bulliger Stürmer. Ich hoffe, dass Kai Havertz noch richtig zündet.“Probst hält mit weiterer Kritik nicht hinter dem Berg: „Das Umschaltspiel ist bei uns verbesserungswürdig. Ich vermisse den Power-Fußball. Und manchmal ist es fatal, wie wir Führungen verspielen. Mehr als das Viertelfinale ist dieses Jahr wohl nicht drin.“
Der SpVgg-Trainer warnt, das 7:1 im Testspiel gegen Lettland überzubewerten: „Jetzt hat man uns abgefeiert, wie toll wir gegen Lettland gespielt haben, wie super wir waren. Klar, es war okay, schöne Tore – aber gegen eine Mannschaft, die auf einem anderen Level spielt. Wenn man Lettland 7:1 besiegt, kann man nicht davon ausgehen, dass man Frankreich, Portugal und Ungarn schlägt.“
Positiv bewertet Probst die Wiedernominierung von Thomas Müller und Mats Hummels: „Ich bin froh, dass die beiden wieder dabei sind, weil es Persönlichkeiten sind.“
Zum Schluss sagt Probst aber auch: „Vielleicht überraschen mich auch die Deutschen, ich hoffe es natürlich und freue mich auf das Spiel gegen Frankreich.“
Auch tippt auf einen der üblichen Verdächtigen: „Frankreich ist sicher ein Favorit, Europameister zu werden.“Der Bezirksvorsitzende will aber Deutschland nicht vorschnell abschreiben: „Ich denke, die Jungs von Joachim Löw werden uns überraschen und lange im Turnier bleiben. Nicht zuletzt die Rückkehr der Altstars Thomas Müller und Mats Hummels lässt vermuten, mit welcher Spannung die Mannschaft auftreten wird. Auch weil es das letzte Turnier von Bundestrainer Löw ist, könnte mehr denn je Ansporn, Wille und Kampfgeist da sein.“
Kiekbusch hat aber auch Corona und die Fans im Blick: Den Fußballanhängern werden die Fan-Meilen, den Spielern die vollen Stadien fehlen, besonders, wenn es in die heiße Phase des Turniers geht. Doch über allem steht die Gesundheit.“
Marcus Kiekbusch